von Trude Teige
erscheint bei FISCHER; 1. Edition (22. Februar 2023)
Der Verlag kündigt diesen Roman an als „der bewegende Bestseller aus Norwegen um ein unbekanntes Stück deutscher Geschichte.“. Jetzt habe ich den Roman mehr oder weniger am Stück durchgelesen, und muss dem zustimmen. Es ist bewegend, es ist spannend, und ich muss gestehen, ich habe hier noch eine Nachhilfestunde in Geschichte erhalten.
Und hierum geht es: Juni, um die 30, flüchtet vor ihrem gewalttätigen Mann auf eine kleine Insel vor der norwegischen Küste. Dort hat sie das Häuschen ihrer Großeltern geerbt, das diese ein paar Jahre nach dem 2. Weltkrieg gekauft haben-. Die Großeltern sind vor ein paar Jahren gestorben, und Junis Mutter Lilla ist nun auch vor ein paar Monaten gestorben. Das Haus steht also leer, und Juni kann sich hier ein neues Leben aufbauen.
Junis Familiengeschichte ist nicht unbelastet. Es gab viele Dinge, die niemals ausgesprochen wurden, und Mutter Lilla hat ihr immer den Namen ihres eigenen Vaters vorenthalten. Beim Ausmisten des Häuschens findet Juni nun ein altes Foto, das unverkennbar ihre Großmutter mit der neugeborenen Silla zeigt – aber der Mann daneben ist nicht der geliebte Großvater, sondern ein fescher deutscher Soldat….Juni beginnt zu recherchieren, und damit beginnt eine faszinierende Reise in die Vergangenheit, sowohl in die ihrer Familie als auch in die deutsch-norwegische Vergangenheit der letzten Kriegsjahre und Nachkriegsjahre.
Das Buch wird abwechseln aus der Sicht von Juni im hier und jetzt und der Sicht ihrer Großmutter Tekla erzählt. Peu a peu bröselt Juni die Geschichte auf, peu a peu begleiten wir Tekla, die als junges norwegisches Mädel sich in einen Soldat der deutschen Besatzungsmacht verliebt und als „Deutschenhure“ ihm nach Kriegsende in dessen ostdeutsche Heimat folgt. Doch das Gut in Ostdeutschland wurde von den Sowjets besetzt, denn Demmin wurde nach der Kapitulation von den Russen überrannt. Anstatt in die geliebte Heimat zurück zu kehren, stehen Tekla und ihr Mann Otto vor Verwüstungen und Verzweiflung….
Das Buch stand lange auf norwegischen Bestsellerlisten, und nicht zu Unrecht: es ist einfach packend geschrieben, gut recherchiert, und rollt ein Kapitel in der Kriegsgeschichte auf, von der die meisten wohl wenig bis gar nichts wussten. In meiner Wahrnehmung hat der letzte Weltkrieg nur ganz am Rande Skandinavien involviert, aber ich muss revidieren, dieser Rand war groß. Wie überall bei jedem Krieg gab es Liebesgeschichten zwischen einheimischen Frauen und Soldaten der Besatzungsmacht, das kennen wir ja durchaus auch aus dem Nachkriegsdeutschland, und hier war die Konstellation mal umgekehrt. Eine Deutschenhure zu sein ruinierte Leben und Ruf in der Heimat sehr nachhaltig. Da überlegt man es sich schon drei Mal, was man erzählt, wenn man später mit Kleinkind zurück kommt…..und so entstehen dann die Löcher in den Familiengeschichten….. das war so der psychologische Aspekt, den ich echt interessant erzählt fand. Lilla ist an diesen schwarzen Löchern zerbrochen, und Juni will sich daraus befreien.
Ach ja, kurz zum Titel noch: Tekla tanzte ihr Leben gern im Regen. Am liebsten in einem roten Kleid, mit einem Hauch Chanel No 5. Der Regen war ihr Applaus und Elixier. Und kurz nach ihrem letzten Tanz dann legte sie sich in den Schnee und verstarb.
Ich fand den Roman sehr dramatisch, und immer dann am packendsten, wenn es um die schlimmen Schicksalsschläge geht: Leben und Tod in (Nach)-Kriegszeiten, aber es gibt immer, immer auch Hoffnung. Tekla lebt diese Hoffnung auch in ihren düsteren Momenten, eine richtig starke Frauenfigur.
Also, ich fasse zusammen: Bitte lesen. Das Cover ist nicht wirklich dolle und ansprechend, der Titel melodramatisch-merkwürdig, der Name der Autorin sagte mir gar nix, aber der Inhalt ist super!
Das ebook war in meinem Netgalley-Adventskalender, ansonsten hätte ich es echt übersehen. Was wirklich schade gewesen wäre. Vielen Dank an den Verlag und Netgalley.de für das Rezensionsexemplar!