von Richard Roper
Neuerscheinung 2020 aus dem Hause Wunderlich / Rowohltverlag
Andrew Smith ist Nachlassverwalter in London. Wann immer jemand einsam zuhause stirbt, ist es sein Job, etwaige Erben ausfindig zu machen und die Beerdigung zu organisieren. Nichts für Zartbesaitete, vor allem wenn die Toten schon eine Weile in ihren Wohnungen gelegen haben und Andrew dort dann den Nachlass sichten muss. Aber zum Ausgleich hat er ja seine Familie zuhause: seine Jugendliebe Diane und zwei wohlgeratene Kinder. Das glaubt zumindest sein Chef und der Kollegenkreis, denn eine kleine Notlüge beim Bewerbungsgespräch entwickelt sich zum Selbstläufer, und Andrew wächst die Rolle als glücklicher Familienvater langsam aber sicher über den Kopf. Vor allem, als Cameron, Chef der Nachlasstruppe, im Zuge des Teambuildings reihum private Dinnerparties organiseren will…. und die neue Kollegin Peggy, zu der Andrew zarte Bande knüpft, hält ihn natürlich auch für vergeben.
Andrews private Wahrheit sieht ganz anders aus: alles, was privat auf ihn wartet, ist seine Modelleisenbahn und seine Sammlung Ella-Fitzgerald-Platten. Das aber soll sich ändern…
Soviel zum Inhalt. Ernstes Thema mit dem Tod und vor allem den Tabu des einsamen Sterbens, ernst auch das Thema generelle Vereinsamung, aber brilliant und humorvoll umgesetzt. Der Autor schafft den Spagat, wirklich harten Tobak anzupacken, das aber so liebevoll und witzig, dass ich schon auf den ersten Seiten laut losgelacht habe. Britischer Humor vom Feinsten, und ausnehmend klasse übersetzt! Wirklich lustig, aber nicht slapstick-lustig, sondern lustig-lustig (alles klar?!). Kostprobe gefällig aus Kapitel 1? Andrew ist auf der Beerdigung eines Klienten. Er ist der einzige Trauergast, der Priester macht’s zum ersten mal. : „ Jedenfalls….“, fuhr der Pfarrer fort und blickte Andrew erwartungsvoll an, „….wie fanden sie mich?“ Was soll ich dir darauf antworten?, dachte Andrew. Weder hast du den Sarg aus Versehen umgekippt noch den Verstorbenen Herrn Hitler genannt, also würde ich sagen: volle Punktzahl. „Sie haben das sehr gut gemacht“ sagte er.
Ich mochte den Stil extrem gern. Alle Protagonisten werden facettenreich geschildert, und ich hatte das Kollegenteam echt vor meinem geistigen Auge. Ein Haufen skurriler Leute, völligst enthusiastisch am arbeiten (noch ein Zitat aus einer kollegialen email: „Übrigens habe ich endlich den Testamentsvollstrecker aufgespürt, der in der Fenham Street gestorben ist. Glaubst du, dass „ Mit diesem Scheisskerl will ich nie mehr was zu tun haben“ als rechtsverbindlicher Widerruf einer Pflichtenübernahme gilt?“) Gott, wieso fühlte ich mich an alte Bürozeiten erinnert 😉 – und nein, ich war nicht im Nachlassamt, sondern im Sales!
Zu Andrew und natürlich auch zu Peggy – das ist die rothaarige Schönheit auf dem Cover mit dem Bleistift im aufgestecktem Haar!) gäbe es noch viel mehr zu erzählen, aber ich will ja nicht spoilern, sondern zum Lesen und Kaufen auffordern: das Buch ist wirklich lesenswert!