von Ahmet Ümit
erschienen 2020 beim btb Verlag
Vom Verlag als „ein Meilenstein der türkischen Krimiliteratur“ angepriesen, ist dies ein Buch, das mich ein bisschen ratlos zurücklässt. Ich habe das Buch übrigens nicht gekauft, weil ich einen spannenden türkischen Krimi gesucht habe, sondern ich wollte explizit in Romanform etwas über den persisch-türkischen Mystiker und Poeten Rumi etwas erfahren, und da hat Amazon mir dieses Buch vorgeschlagen. Also dann – auf nach Konya, der zentralanatolischen Heimatstadt des vor 700 Jahren gestorbenen Sufis Celaleddin Rumi.
Die junge Londoner Versicherungsinspektorin Karen Kimya Greenwood muss in Konya eine Hotelbrandsache ermitteln. Da ihr Vater aus Konya stammt und sie die Sprache perfekt spricht, ist sie von ihrer Firma hierher entsandt worden. Ein Standardauftrag, so denkt Karen, aber dem soll nicht so sein. Kaum ist sie auf türkischem Boden und in Konya angekommen, wird sie in jede Menge mystischer Merkwürdigkeiten verwickelt. Schon auf dem Weg vom Flughafen zum Hotel gibt es eine Reifenpanne, und ein merkwürdiger Mann in schwarz überreicht Karen einen Ring, der zu bluten beginnt…..besagter Mann begegnet ihr in den nächsten Tagen in ihren Träumen, entführt sie an bedeutende historische Stätten, und führt sie mehr oder weniger durch einen Teil von Rumis Leben. Oder vielmehr durch die letzten Tage des Lebens von Rumis Herzensfreund und Lehrmeister Shams-e-Tabrizi……
Karens Versicherungs-Kontakt vor Ort, Mennan, ist völlig fasziniert von Rumi, Shams, dem alten Sufi-Orden und drängt sich Karen immer wieder auf, wenn es darum geht, historische Nachforschungen anzustellen. Nebenbei (nun ja, das Buch ist etwas über 500 Seiten stark) lösen die beiden auch den Brandstiftungsfall. Wobei der Autor es schafft, zwischen diesen beiden Erzählsträngen Verknüpfungen zu finden und sie halbwegs logisch miteinander zu verbinden.
Ach ja, und Karen schliesst im Laufe des Buches auch Frieden mit sich selbst: ihr Vater ist nämlich ebenfalls Derwisch und hat sie und ihre Mutter vor vielen, vielen Jahren verlassen, um mit seinem eigenen Herzensfreund (!) und Lehrmeister (!) den Weg der spirituellen Erweckung zu gehen.
Puh, also, ganz schön viele Sachen, die einem hier begegnen. Und ich merke, ich hab das für mich noch nicht so ganz sortiert. Erstmal muss ich aber sagen, ich habe so wahnsinnig viel jetzt nicht über Rumi erfahren. Nichts, was ich nicht schon wusste. Der Autor hat sich allerdings seitenlang über seine Interpretation der Herzensfreundschaft der beiden Derwische ausgelassen, und ja, das war interessant, und auch die (recht ausschweifenden) Unterhaltungen Karens mit ihrer Mutter, respektive eines Sufis über die Religionen und die spirituelle Suche fand ich persönlich jetzt auch recht spannend. Aber wie soll ich es sagen, ich fand diese einzelnen Teile ganz faszinierend, aber für mich war das insgesamt ein merkwürdig zusammengewürfeltes Leseerlebnis. Einerseits die philosophischen Teile. Der Einblick in das Leben der beiden seit 700 Jahren verstorbenen Derwische in Konya. Der Brandstiftungsfall. Karens aktuelle eigene Probleme. Die unaufgelösten Kindheitstraumata. Für mich wollte der Autor hier zuviel auf einmal. Und als Ergebnis wirkte der Roman dann für mich oftmals etwas unrund.
Woran ich mich auch gestossen habe, war der in meinen Ohren merkwürdige Erzählstil, wenn Karen in der Türkei mit den „locals“ kommuniziert. Ich fand, es gab klare stilistische Unterschiede in der Art und Weise, wie Karen in Europa mit ihren Leuten gesprochen hat und eben in Konya. Die türkische Kommunikation hörte sich für mich oft nicht flüssig an, und die türkischen Protagonisten fand ich in ihrem (oftmals ausufernden) Redefluss teils etwas, nun ja , merkwürdig. Wobei es natürlich auch gut möglich ist, dass mir die orientalische Mentalität einfach nicht recht zugänglich ist – liegt ja vielleicht auch an mir, wenn ich Dinge merkwürdig finde.
Aber jetzt auch mal was Positives: Ich hab das Buch durchgelesen. Ich wollte einfach wissen, was noch passiert. Das Spannungslevel war hoch genug, und der Autor konnte die Atmosphäre gut rüberbringen. Das war schon eine kleine Reise nach Anatolien.
Aber insgesamt hat es mich leider nicht überzeugt. Hier ist zuviel aus zuvielen verschiedenen Ecken in ein Buch gepresst worden. Ja, der Autor hat es geschafft, das Ganze zu einer halbwegs runden Sache zu bringen, aber weniger wäre mehr gewesen. Schade.