von Fiona Schneider
erschienen 2022 im Goldmannverlag
Das Mädchen aus Amsterdam: das ist das Waisenmädchen Marta, geboren und aufgewachsen im Waisenhaus in Amsterdam, und dann nach Batavia, Java, in den niederländischen Kolonien, verschifft, um dort zu heiraten. Mit 17 Jahren ehelicht sie im Jahre 1631 hier den wesentlich älteren niederländischen Kaufmann Cornelius Vos der Ostindien-Kompagnie – skrupellos, wohlhabend, brutal. Allerdings hat Vos keinerlei körperliches Interesse an Marta, sondern ihm geht es ihm einzig und allein um ein Manuskript mit Noten, das Marta als Baby in die Wiege gelegt wurde. Vos vermutet hier ein monetär sehr wertvolles Skript, während für Marta die Noten die einzige Verbindung zu ihrer Vergangenheit, ihrer Familie und Herkunft darstellen. So gehen die beiden zwangsweise einen Pakt ein, denn beide wollen die Verfasserin des Manuskripts ausfindig machen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Auf dem Weg, dieses Geheimnis zu lüften, treibt es Marta einmal um die halbe Welt: gemeinsam mit Cornelius und dessen balinesischer Geliebten Ni Luh geht die Reise zurück nach Europa, und Marta soll neben London auch noch Antwerpen und ihre Heimatstadt Amsterdam wiedersehen…..
In einem zweiten Erzählstrang begleiten wir Benjamin aus London, einen jungen Hitzkopf, der sein Glück in den spanischen Niederlanden sucht, den sein ungestümes Temperament immer wieder in unliebsame Situationen bringt – und der sich in Marta verliebt.
Die Kapitel werden abwechselnd aus der Sicht von Marta in der Ich-Perspektive erzählt, bzw aus einer auktorialen Perspektive wird Benjamins Weg geschildert. Und immer wieder sollen sich die Wege der beiden kreuzen….
So, das war jetzt der Inhalt des 400-Seiten-Schmökers in Kurzfassung. Und ich bin ein bisschen am Grübeln, was ich jetzt dazu zu sagen habe. Einerseits war das eine ganz coole Story. Martas Reise zum Ursprung des Manuskripts war echt spannend, und es war auch spannend, wie Benjamins Weg immer wieder darin verwoben war. Das war teilweise geplottet wie ein Krimi, hat mir gefallen.
Und natürlich war das Setting – oder vielmehr: die Settings, plural! – toll. Im 17. Jahrhundert sind wir quer durch die Welt gesegelt und kutschiert und in das Ambiente der niederländischen Kolonialmächte auf Java eingetaucht, wir waren in den Kaufmannsfamilien in Holland und London, und Benjamin war unterwegs im britischen Regiment, das gegen die Spanier gekämpft hat, das war schon grosses Abenteuer-Kino. Action, Geheimnisse, Liebe, Verrat, ein Bösewicht (Cornelius!), Freundschaft und die grossen moralischen Fragen – war alles dabei.
Aber genau das ist jetzt auch mein Problem: als Kinofilm wäre ich jetzt nach einem epischen Filmabend geflasht nach Hause gegangen, aber im Buch hat es für mich nicht so ganz funktioniert, weil ich ein paar Probleme mit dem Erzählstil hatte. Ich fand es leider nicht so wirklich flüssig stimmig geschrieben, und ich bin mit Marta auch nicht wirklich warm geworden. Ich fand ihre Persönlichkeit nicht in sich kohärent. Für ein Waisenmädchen 16hundertnochwas war sie sehr gebildet und clever, was mich des Öfteren gewundert hat. Hat Haushaltsführung, Kochen, Nähen und Buchhaltung drauf, Chapeaux. Und auch ihr Selbstbewusstsein war teils sehr ausgeprägt: sie hat sich Gefechte mit ihrem Gatten geliefert, da dachte ich öfters, Holla, kaum zu glauben. Andererseits hat sie sich dann auch immer wieder demütig in ihr Schicksal gefügt. Bisschen arg wechselhaft.
Die Liebesgeschichte mit Benjamin kam für mich auch etwas merkwürdig daher. Die zwei haben sich einmal getroffen, kaum miteinander geredet, und dass dabei ein Funke übergesprungen ist, konnte ich nicht feststellen, aber 50 Seiten später verzehrt er sich plötzlich nach ihr….hmmmm…..und sie fantasiert aus heiterem Himmel auch über ihn……also nee, Romantik liest sich irgendwie anders.
Über die sehr merkwürdige Dreiecksbeziehung im Hause Vos zwischen Marta, Cornelius und Ni Luh möchte ich erst gar nicht weiter eingehen, das fand ich total merkwürdig und ich glaube auch nicht, dass A) das so in der historischen Realität funktioniert hat, und B), dass die beiden Damen diese Geschichte ohne seelischen Malaisen überlebt hätten.
Ja. Ich komme hier immer auf den Vergleich zum Film zurück: da hätten wir diese Brüche auch, da wären sie aber übertüncht von den opulenten Bildern in einem Abenteuer- Historiendrama, und würden mich nicht so stören.
Mein Fazit: Tolle Geschichte mit einigen Haken und leider nicht ganz flüssig erzählt. Hat mich trotzdem gepackt, also 4 von 5 Sternen von mir!
Dankeschön an das Bloggerportal vom Randomhouse für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares!