von Laetitia Columbani
Erschienen 2022 im Fischerverlag
Die Lehrerin Lena hält nichts mehr in Frankreich, und so zieht es sie nach Indien, an den Golf von Bengalen. Indien – das Land, dass sie immer mit ihrem Mann gemeinsam bereisen wollte. Nun ist sie alleine hier, und des Lebens müde. Eines Tages ertrinkt Lena fast, und macht sich danach auf die Suche nach ihren Retterinnen: einem kleinem Mädchen, das sie schon öfters dabei beobachtet hat, wie es einen Drachen am Strand steigen lässt. Und einer ganzen Schar anderer junger Frauen, der berüchtigten „roten Brigade“: Frauen der untersten Schichten, die sich zusammengeschlossen haben, sich in Selbstverteidigung üben und eine Bastion gegen die Diskriminierung bilden. (Anmerkung: die rote Brigade gibt es tatsächlich; eine Art Frauenkampftruppe, die indischen Mädchen zeigen soll, wie sie sich gegen Männer zur Wehr setzen können.)
Das Aufeinandertreffen dieser Frauen, besonders mit Preeti, der Anführerin der lokalen Brigadetruppe, soll für Lisa ein Wendepunkt werden. Sie macht Bekanntschaft mit einem Indien, das so in den Reiseführern nicht erwähnt wird. Dem Indien, das immer noch Frauen benachteiligt und in dem die Mitglieder der untersten Kaste, der Dalit, den Unberührbaren, nichts wert sind. In Lena reift ein tollkühner Plan: sie möchte hier eine Schule für Mädchen eröffnen, und ihnen mit Bildung eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben geben.
Und mit Hope, dem Mädchen mit dem Drachen, bekommt in diesem Buch auch eine Protagonistin aus Columbanis Vorgängerbuch, dem „Zopf“ eine eigene Geschichte…..
Ja, und jetzt muss ich sagen, es könnte eine ergreifende, sozialkritische, spannende Geschichte sein – allein, ich fand es sehr zäh. Mit 170 ebook-Seiten ist dieses Werk relativ kurz. Geschrieben ist es im Präsenz, was ja immer eine Unmittelbarkeit rüberbringen soll, aber für mich war es irgendwie nicht greifbar. Es gibt relativ wenige Dialoge, für mich tröpfelte alles als Erzählung so vor sich hin, und ich bin mit den Protagonistinnen nicht warm geworden. Ich fand den Erzählstil ziemlich hölzern. Sehr einfache Sprache. Hat mich nicht abgeholt.
Lena fand ich anstrengend. Wenn sie 20 Jahre Schuldienst hinter sich hat, muss sie so Anfang, Mitte 40 sein, und sie ist ein völliger Gutmensch. Sie lernt zwar so langsam das wirkliche Indien kennen, hinter den Touristen-Kulissen, und ist schockiert, und will dann die Welt verändern. Finde ich prinzipiell immer toll, will ich auch. Idealismus ist super. Aber eine Schule gründen, und den Eltern ihrer potentiellen neuen Zöglinge das Blaue vom Himmel versprechen, um Anmeldungen zu erhalten, puh, finde ich schwierig. Ich habe schon ganz am Anfang innerlich gestöhnt, als berichtet wurde, wie Lena den Eltern Ausgleichszahlungen in Naturalien anbietet, damit sie auf die Arbeitskraft ihrer Töchter verzichten und diese zu ihrer neuen Schule schicken. Ernsthaft? Hallelujah. So eine Schule wird mit Sicherheit ein finanzieller Erfolg. Nicht.
Ich habe dieses Buch lesen wollen, weil mich vor geraumer Zeit Columbanis Erstling „Das Haus der Frauen“ völlig begeistert hatte. Ihr Zweiter Roman, „Der Zopf“, war dann schon nicht mehr so ganz mein Fall (da hatte ich schon dieselben stilistischen Probleme, und auch da waren mir die Protagonistinnen irgendwie fremd), aber in ebendiesem „Zopf Roman“ ist zum ersten Mal Lalita / Hope auf der Bildfläche erschienen, und ihre Story hatte mich berührt. Prinzipiell wollte ich jetzt schlicht wissen, wie es mit ihr weitergeht. Dummerweise fehlte mir jetzt hier komplett die Tiefe; ich habe dann irgendwann das Interesse verloren.
Schade. Denn wie gesagt, hier steckt eigentlich viel drin. Ganz viel authentisches Indien. Unglaublich viel Stoff, um sich mit der Unterdrückung der Frauen im 21. Jahrhundert auseinanderzusetzen. Und ich liebe eigentlich Geschichten um starke Frauen, die ihre Ideale leben und gegen alle Widerstände ihre Träume leben. Die ein Zeichen setzen. Aber hier hatte ich nur den Eindruck, jetzt wird nach zwei Bestsellern schnell noch ein drittes Werk hinten nachgeschoben, wird schon passen. Für meinen Geschmack hat es nicht gepasst, leider.
Trotzdem herzlichen Dank an Netgalley.de für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.