von Aimée Molloy
erschienen 2021 bei Rowohlt Polaris
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Dieser Thriller ist gerade gefühlt in aller Munde, und wird mit Lob überhäuft. „Wahrscheinlich der spannendste Roman, den Sie dieses Jahr lesen werden.“ Steht auf dem Klappentext, und auch ansonsten wird von der Kritik nicht mit Superlativen gespart. Die Kurzbeschreibung klingt auch spannend: Sam, Psychotherapeut aus New York, zieht zurück in sein verschlafenes Heimatkaff, und baut seine Praxis dort neu auf. Im Souterrain einer alten Gründerzeitvilla behandelt er seine zumeist weiblichen Klientinnen, und ahnt nicht, dass alle Gespräche durch einen Lüftungsschacht abgehört werden können. Annie wiederum, seit ein paar Wochen seine angetraute Ehefrau, scheint ein wenig geheimnisvoll, und die Rollenspiele, mit denen das Paar sich vergnügt, scheinen undurchsichtig…..und eines Tages verschwindet Sam, und fast die ganze Kleinstadt ist auf der Suche nach ihm.
Ok, klang für mich nach einem vielversprechenden Psychothriller. Vor allem die Idee, dass der Ehemann Patienten empfängt, und die frischvermählte, gelangweilte junge Ehefrau oben am anderem Ende des Lüftungsschachts mithört, hat mich eingefangen. Und das Buch fing auch gut an; im Prolog erfahren wir aus einer Ich-Perspektive erzählt, dass Sam verschwunden ist, und dann geht es in Rückblenden weiter. Jetzt ist leider das Problem, dass die Erzählperspektive sich des öfteren ändert. Es gibt eine Ich-Perspektive – und nein, ich hab ne Weile gebraucht, um zu kapieren, dass es nicht Annie ist, die hier erzählt! – und dann gibt es wieder einen auktorialen Erzähler, der abwechselnd die verschiedenen Personen begleitet, und dabei auch deren Vergangenheit näher beleuchtet. Ich muss gestehen, die Schreibe ist flott, der Roman lässt sich prinzipiell gut weglesen, aber ich hab echt öfters überlegen müssen, um wen genau es jetzt gerade geht. Beziehungsweise, bei mir war die Leitung echt lange, ich hab ewig gebraucht, um den Ich-Erzähler zu identifizeren und musste dann ein paar Personen neu einsortieren. Ein Rezensent im Klappeninnern meint hierzu: „Niemand versteht es so meisterhaft, die Leserinnen aufs Glatteis zu führen“ – kann man so sehen, mir persönlich mindert das etwas das Lesevergnügen.
Und noch ein Punkt: Ich muss jetzt ein wenig spoilern, aber das Werk „Sie“ von Stephen King spielt eine mittelgrosse Rolle im Geschehen. Wem das nicht geläufig ist, hier zur Erinnerung; in Kings Weltbestseller hat eine psychopathische Krankenschwester einen Schriftsteller gefangen gehalten. Jo, ich hab das Buch damals gelesen und die Verfilmung mehrfach gesehen, und das Resultat war dann, dass das letzte Drittel vom Therapiezimmer für mich ziemlich hervorsehbar war. Da kam dann jeder Plottwist sozusagen mit Vorankündigung.
Ich will das Buch jetzt nicht zerreissen, aber ich habe mir mehr versprochen, und kann den Hype nicht ganz nachvollziehen. Ich hab die letzten Kapitel quergelesen, mir ist die Faszination irgendwann abhanden gekommen. Schade. Denn wie gesagt, es ist recht flott geschrieben, und die Atmosphäre ist gut eingefangen. Aber aus oben genannten Gründen: ich war nicht recht gefesselt.
Trotzdem recht herzlichen Dank an den Rowohltverlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares!