von Claire Lombardo
erschienen 2021 bei dtv
Das hier ist ein Roman, den mir eine Freundin empfohlen hat, ich müsse ihn lesen, das sei richtig mitreißend – ok, ich habe davon schon mal gehört, der Klappentext klang gut, und auf die Tipps dieser Freundin ist eigentlich Verlass.
Er geht hier um eine Familiengeschichte, bzw. „eine lebenskluge, allumfassende Meditation über den Ausnahmezustand, den wir Familie nennen“, sagt der Verlag. David und Marilyn sind mittlerweile 40 Jahre sehr glücklich miteinander verheiratet, und sie haben 4 Töchter. Radikal verschieden, teils altersmäßig sehr eng beieinander, teils sehr weit auseinander. Alle haben sie mit ihrem Lebensglück zu kämpfen. Und dann taucht noch Jonah auf, der Sohn, den Tochter Violet vor 15 Jahren heimlich zur Adoption freigegeben hat….
Der Roman springt vom heute, also dem Jahr, in dem Jonah aufgetaucht ist, und der Vergangenheit, hin und her, um so die komplette Familiengeschichte aufzurollen. Wir sind dabei, wenn Marilyn und David am College sich ineinander verlieben, wie sie ihre Familie gründen, ihre Kinder bekommen, ihre Plätze im Leben sortieren, und wir sind ganz nah bei den Mädels und deren Leben und Wendepunkten dabei. Auf über 700 Seiten erstreckt sich hier eine fast schon episch angelegte Familiengeschichte.
Der Fokus liegt hier auf den Emotionen. Auf den Entwicklungen der Protagonisten. Wie findet man seinen Platz im Leben in einer Großfamilie? Immer wieder auch der Scheinwerfer auf Marilyn und David, die sich dermaßen lieben, dass unter dieser Liebe teils die Töchter verloren gehen. Aber auch hier: Eheglück bedeutet auch Arbeit. Auch wenn die beiden einen großen Teil ihres Glückes meiner bescheidenen Ansicht nach geschenkt bekommen – wer ist schon nach 40 Jahren Ehe immer noch scharf aufeinander? Sehr süß, aber für den Rest der Familie manchmal too much (wie meinte Jonah irgendwann? Er kommt unverhofft früher nach Hause und kündigt das den Großeltern besser per SMS rechtzeitig an – nicht, dass er in eine Runde Alterssex reinplatzt 😉).
„Es geht darin um Liebe in ihren vielen Spielarten: Liebe in der Ehe, der Familie, um erotische und platonische Liebe, um leidenschaftliche, unerwiderte und halbherzige Liebe. Ich wollte einen Roman über eine Familie schreiben – nicht über eine dysfunktionale Familie (obwohl auch bei den Sorensons nicht alles immer rund läuft), sondern über eine, die durch tiefe und wahre Liebe zusammengehalten wird.“, sagt die Autorin. Das trifft es denke ich ziemlich gut. Die Sorensons haben ein ziemlich hartes Jahr in der Gegenwart, und viele der Verstrickungen werden durch die Blenden in die Vergangenheit aufgerollt. Es geht um Familien- und Geschwisterdynamiken und um die ganz großen Gefühle, und immer wieder werden diese ausdiskutiert und austariert.
Sooo, und jetzt komme ich mal zu meinem persönlichem Leseeindruck: ich fand, das las sich sehr gut und flüssig weg. Unaufgeregter, heiterer Erzählstil. Ich mochte alle 4 Töchter, und fand deren Geschichten allesamt sehr spannend. Ich finde Geschwisterdynamiken und familiäre Verstrickungen generell interessant, und bei den Sorensens war man wie zu Gast bei einer Soap 😉. Einer guten! Die (Groß)-Eltern waren mir ein wenig zu viel des Guten, zu viel Gefühl, zu viel Widersprüche, einerseits hat sich Marilyn komplett fürs Familienleben entschieden, was sie dann teils an den Rand der Erschöpfung gebracht hat, andererseits konnte sie irgendwann plötzlich einen Laden übernehmen und führen und hat sich dann noch mal beruflich neu aufgestellt in Vollzeit – so aus der Erschöpfung heraus noch mal voll durchgestartet, jaaaa, is klar – aber das ist nur meine persönliche Randbemerkung zu ihr.
Allerdings war es mir alles ein bisschen zu emotional, zu viel Drama. Jede Befindlichkeit, jeder Gedanke wird seziert. Ich kann das schwer beschreiben, aber teilweise war mir das zu wenig Handlung, zu viel überschäumende Emotion. Zu viele Liebeserklärungen, zu viele zerrissene Herzen. (Oh weh, eigentlich liebe ich Lovestories – aber ich mag auch Action … und davon fehlte es mir hier etwas!). Bisschen zu viel rosarote Brille – am Ende haben sich alle lieb. Was schön ist, ja. Aber irgendwie auch nicht soooo realistisch. . Ob Jonah ohne Führerschein mit 15 jetzt zum zweiten Mal einfach ein Auto nimmt und quer durch diverse Bundesstaaten fährt, egal, hat keine Konsequenzen. Ich glaube, mein Opa hätte mich gelyncht – ich mein ja nur….
Also mein Fazit: das Buch hat mich sehr gut unterhalten, hatte ein paar Schwachstellen, ja, durchaus, aber generell hat es Spaß gemacht, die Sorensens zu begleiten.