von Laetitia Colombani
Fischer Taschenbuch 2018
Nachdem ich Anfang des Jahres „Das Haus der Frauen“ von Laetitia Colombani gefeiert habe, war ich gespannt auf ihr Debüt, den „Zopf“. Wir lesen das Buch gerade in meinem Online -Instagram-Lesekreis, bei den @mädelsdielesen , und ich hatte hohe Erwartungen.
Der Klappentext verrät, es geht um „Drei Frauen, drei leben, drei Kontinente – dieselbe Sehnsucht nach Freiheit“. Es geht also um die Lebenswege dreier sehr unterschiedlicher Frauen, die, so die Werbung, zusammen gewoben werden, und ich zitiere noch mal: „Ergreifend und kunstvoll flicht Laetitia Colombani aus den drei aussergewöhnlichen Geschichten einen prachtvollen Zopf.“
Die drei Frauen, das sind Smita, eine Inderin aus allerärmsten Verhältnissen, eine Dalit, also eine „Unberührbare“, die mehr vom Leben will als für andere Leute deren Exkremente wegräumen. Und vor allem will sie mehr für ihre Tochter. Sie soll nicht auch dieses Leben führen, nein, die Kleine soll Lesen lernen und etwas aus sich machen. Und als die Träume zu scheitern scheinen, packt Smita all ihren Mut zusammen und bricht mit ihrer Tochter auf in ein neues Leben.
Die zweite Frau ist Giulia, eine junge Sizilianerin, deren Familie seit Generationen im Perückengeschäft ist. Als ihr Vater unverhofft stirbt, muss Giulia die Verantwortung übernehmen, und das Geschäft vor dem Ruin retten. Neue Wege sind gefragt….
Als dritte im Bunde gibt es die erfolgreiche Anwältin Sarah in Montreal, die ihrer Karriere fast alles untergeworfen und geopfert hat, und die nun eine schwere Erkrankung vor neue Entscheidungen zwingt. Und die Frage drängt sich auf, wie es weitergehen soll.
Ja, das sind dir drei Protagonistinnen, und es wird immer abwechselnd ein Kapitel für eine der Damen reserviert. Auf knapp 300 Seiten verfolgen wir die Frauen auf ihrer Reise. Und ich habe da jetzt ein Problem: ich fand keine der drei Damen irgendwie nahbar oder überzeugend sympathisch. Man kann sich darüber streiten, ob die Protagonisten eines Romans sympathisch sein müssen (und da muss ich für mich sagen, ja bitte – ich möchte gerne mit einem Held / einer Heldin mitfiebern!), aber sie sollten nahbar sein. Also ich möchte als Leserin unmittelbar dabei sein und die Gefühle miterleben. Ich will spürbare Emotionen, ansonsten kann ich auch ein Sachbuch lesen. Frau Colombani ist unbestritten eine gute Erzählerin und schreibt flüssig und gefällig, aber genau das ist meine Kritik. Ich hatte die ganze Zeit den Eindruck, ich kriege nebenbei drei Geschichten erzählt, aber keine so richtig in die Tiefe gehend. Mir fehlten hier die Dialoge. Die Frauen erinnern sich, sie denken etwas, aber sie treten in wenig bis gar keine Dialoge mit anderen Figuren, und das macht es für mich zu einem nicht wirklich mitreissendem Ding.
Ich fand auch, dass eben die Geschichten nicht zu einem Zopf verwoben wurden. Gut, zum Ende hin wird klar, wo der Berührungspunkt der drei Ladies liegt, aber das war schon ein bissel abstrakt. Wer damit rechnet, dass sich da physische Begegnungen abspielen, wird enttäuscht. Und ja, es geht um Haare 😉! Also eigentlich drei Geschichten, die am Ende mehr oder weniger willkürlich zusammengedrückt werden. Muss man mögen. Ich fands okay, aber nicht mitreissend.
Ich will auch nicht zu harsch kritisieren, die Autorin kann schreiben, durchaus, aber ich hatte einfach mehr erwartet als drei völlig voneinander unabhängige Kurzgeschichten mit mässig sympathischen Protagonistinnen, und bin deshalb ein wenig enttäuscht.
Und noch was fällt mir ein, ich hatte irgendwo eine Triggerwarnung gelesen (sowas ist ja mittlerweile anscheinend in der Bloggerszene en vogue), und es ging darum, die Leser vorzuwarnen, es gäbe heftige Vergewaltigungsszenen. Also, hier kommt eine Entwarnung: nein, ist nicht so. Bei der Beschreibung des Lebens der Frauen aus der rechtlosen Kaste der Unberührbaren auf dem Lande wird angesprochen, was leider gang und gebe ist: Dalit haben für kleinste Kleinigkeiten drakonische Strafen zu erwarten, aber die Triggerwarnung für übersensible Leser muss ich hier wieder wegnehmen. Das sind Tatsachen. Und nein, Smita wird nicht vergewaltigt, ihre Tochter auch nicht.
Zurück zum Buch: Ich schwanke zwischen 2 und 3 Sternen. Der Nachfolgeroman der Autorin war auf jeden Fall Klassen besser!!