von Nicole Krauss
erschienen im Rowohlt Verlag 2006
„Die Geschichte der Liebe“ ist die aktuelle Juni-Monatslektüre in meinem Instagram-Lesekreis @mariaslesekreis, und ich gestehe, an mir wäre das Buch ansonsten vorüber gegangen. Das Cover finde ich jetzt nicht so doll, und die Autorin sagte mir nichts. Aber: das ist mal wieder ein Buch, wo ich mich freue, es entdeckt zu haben, denn mir hat es gut gefallen. Und irgendwie war es mal was komplett anderes.
Das hier sagt der Klappentext: „„Bezaubernd, zärtlich und sehr originell.“ (J.M. Coetzee)
Ein verloren geglaubtes, fast 70 Jahre altes Manuskript steht im Mittelpunkt dieses Romans. Leo Gursky hat es als junger Mann in Polen geschrieben, für seine große Liebe Alma. Nun lebt er als einsamer alter Mann in New York. Er weiß es nicht, aber das Buch überstand den Holocaust, wob andere Liebesbande: die 14-jährige Alma ist nach einer seiner Figuren benannt. Und sie ist auf der Suche nach ihm.
„Einfach anfangen zu lesen. Es ist wunderbar.“ (Stern)“
Und originell ist es wirklich. Geschrieben aus der Ich-Perspektive verschiedener Personen sind wir abwechselnd bei Leo Gursky, einem alten Mann, Holocaust-Überlebender, polnischer Herkunft, jetzt in New York. Leo hat im Leben schon alles verloren, und ist als alter Mann eine Skurrilität auf zwei Beinen, der seinen Schmerz mit Ironie kompensiert. Über den Charakter könnte man wahrscheinlich stundenlang diskutieren, ich fand es auf jeden Fall zum Lesen amüsant und ich mochte den feinen Humor sehr. In jungen Jahren hat er für seine große Liebe Alma „die Geschichte der Liebe“ geschrieben, war aber der Auffassung, dass das Manuskript verloren ging. Nun, das tat es nicht, denn die junge jüdische New Yorkerin Alma ist nach der literarischen Alma benannt – ihre Eltern haben den Roman gelesen und waren tief berührt. Eines Tages begibt sich Alma auf die Suche nach dem Autor, und verfolgt diverse Spuren – einige verlaufen im Sand, einige zeichnen Stationen in Leos Leben nach, und so verfolgen wir als Leser sowohl Almas als auch Leos Leben und ihre Gedanken und Gefühle.
So geradlinig, wie ich das gerade beschreibe, ist es dann nicht wirklich, die Autorin nimmt uns hier noch auf einige verschlungene Pfade mit, und lässt teilweise Personen auftreten, die schon längst verstorben sind und nur noch in Leos Phantasie existieren – das fand ich einerseits zwischenzeitlich etwas anstrengend nachzuvollziehen, andererseits hat alles am Ende auch wieder Sinn gemacht. Wie drück ich es aus, wir haben hier einige Erzählstränge, die sich alle um das Manuskript, um die „Geschichte der Liebe“ drehen, aber wie nun schlussendlich alles miteinander zusammenhängt, das fand ich zwischenzeitlich etwas arg verwirrend. Nichtsdestotrotz hat die Story auf mich eine Sogwirkung gehabt, ich musste einfach wissen, wie es weitergeht. Und ob Alma und Leo sich dann auch wirklich finden.
Was ich auch faszinierend fand, war der Ausflug ins jüdische Leben. Fast alle Beteiligten sind Juden, nicht wirklich strenggläubig, aber doch bestimmt der Glaube den Alltag. War für mich ein interessanter Nebenaspekt des Buches.
Originell war auf jeden Fall auch die Kapiteleinteilung. Super viele tagebuchähnliche Einträge Almas wechseln mit teils sehr kurzen Kapiteln der anderen Protagonisten ab. Wir haben sehr viele Einschübe, viel ist in kursiv geschrieben, es gibt einen Schwung Aufzählungen – also die Autorin macht es dem Leser nicht wirklich einfach. Und bei jedem Kapitel muss man wieder neu sortieren, wer der Erzähler ist. Ich muss ja sagen, normalerweise wäre sowas ein KO-Kriterium für mich als Leser, normalerweise stresst mich sowas – aber hier konnte ich mich dem Sog der Geschichte nicht verwehren, und sortiere das positiv konnotiert unter phantasievollen Aufbau ein.
Ja, was soll ich sagen, ich wahr berührt. Leo hat mich berührt. Die Geschichte war einfach schön.
Ich verteile 4 Sterne und empfehle das Buch gerne weiter.