von Astrid Lindgren
Ullsteinverlag 2016
Bevor Astrid Lindgren zur Schriftstellerin wurde und uns mit Pippi Langstrumpf & Co. prägte, war sie Sekretärin, Hausfrau und Mutter. Die Kinderbücher sind alle erst in den 50ern erschienen, bzw später, und ergänzend zu Biographien der grossen schwedischen Autorin sind vor ein paar Jahren ihre Kriegstagebücher veröffentlicht worden. Ich liebe Astrid Lindgrens Bücher, also war ich neugierig.
Und ich muss gleich vorweg nehmen, diese Tagebuchaufzeichnungen sind ein interessantes Zeitdokument, aber nicht unbedingt etwas, womit man der Autorin näher kommt, und das hätte ich eigentlich erwartet. Lindgren beschreibt vom 1.9.39, dem Tag, an dem für Schweden der Krieg begann, bis zum Ende 44 recht detailliert aus schwedischer Sicht das politische Geschehen, und ergänzt ihre Einträge mit vielen Ausschnitten aus schwedischen Zeitungen, die das Buch abfotografiert wiedergibt und übersetzt. Soweit, so gut. Die schwedische Sicht unterscheidet sich schon ein wenig um die bekannte deutsche, aber ehrlich gesagt, hielt sich mein Interesse an den Geschehnissen, Kämpfen und diplomatischen Verwicklungen in Skandinavien in Grenzen….ich hätte eher gedacht, dass es um die alltäglichen Sorgen und Nöte und Gefühle der Astrid Lindgren und ihrer Familie gehen würde, und das war es leider nur am Rande.
Das Vorwort und ein kurzes Nachwort der Tochter war insgesamt für mich am interessantesten. Eben weil es da persönlich wurde.
Interessantes Detail: Da Lindgren sehr gute Deutschkenntnisse hatte, wurde sie vom schwedischen Geheimdienst engagiert, deutsche Briefe zu lesen und zu übersetzen. Und hier hat Lindgren die interessanten Briefe zum Teil ein zweites Mal abgeschrieben, und zwar für ihre privaten Aufzeichnungen. Man kann also durchaus sagen, es lässt sich die politische Einstellung der Autorin ablesen, aber explizit kund tut sie diese nicht wirklich.
Sehr oft nimmt die Autorin Bezug auf die Lebensmittelknappheit, und das fand ich recht interessant – und btw, Klopapier-hamstern stand damals nicht auf der Prioritätenliste weit oben…das deckt sich dann aber auch mit den Erinnerungen meiner eigenen Großmütter. Ich nehme mit: wichtig waren Kaffee, Tee und Zucker sowie eingelegte Eier. Die gab es nämlich kiloweise im Hause Lindgren.
Das Buch beinhaltet ein sehr ausführliches Glossar und Quellenverzeichnis, was ich noch lobend erwähnen möchte. Also, ja, ein wichtiges Zeitzeugnis. Was das Buch aber für mich nicht ist, und das hat mir der Klappentext versprochen: „Ein faszinierender Einblick in die entscheidenden Jahre der berühmten Schriftstellerin.“. Das fand ich ein wenig schade, wie gesagt.
Lieblingszitat: „Man muss daran verzweifeln, wie wenig die Menschheit in den vergangenen Jahrtausenden gelernt hat“. Dem ist nur zuzustimmen. Grade in Hinblick auf unseren momentanen Wahnsinn.
Alles in allem: Ein interessantes Zeitdokument, aber ansonsten würde ich sagen: nur was für „Lindgren-Nerds“ – und das meine ich im positiven Sinne!