von Maren Bohm
erschienen im August 2013 im Gmeiner Verlag, jetzt (Sommer 2023) neu aufgelegt
Zu dem Buch muss ich ein paar Vorbemerkungen machen, ich dachte erst, das wäre ein komplett neuer Roman, aber er ist ursprünglich schon vor 10 Jahren erschienen, mit fast genau demselben Cover; aber ich bin nicht ganz sicher, ob der Inhalt nicht ein wenig überarbeitet wurde. Ich habe gerade mal ein paar alte Rezensionen angeschaut, da wird unter anderem eine nicht stringente Erzählperspektive beklagt, und einige Handlungsstränge würden nicht richtig aufgelöst – und dem kann ich nicht zustimmen, ich fand es flüssig zu lesen aus einer durchgehend auktorialen Erzählperspektive und mir haben jetzt keinerlei „Lösungen“ gefehlt. Soviel mal dazu. Wer dieses Buch kaufen will – und das will ich gerne empfehlen! – der kaufe bitte vorsichtshalber die aktuelle Neuauflage 😊.
So, und hierum geht’s: Die Pilgerin von Passau, das ist die junge Kaufmannstochter Alice, deren Mutter vor langem verstorben ist, und die wohlbehütet bei ihrem Vater Karl aufwächst. Um den Tod der Mutter ranken sich die Geheimnisse: ist sie damals einfach die Treppe hinuntergestürzt, oder wurde sie gestoßen? Und wenn ja, von wem? War’s der Gatte? Offiziell als Unfall eingestuft, ist das Ganze aber auch schon eine Weile her. Nichtsdestotrotz, als sich 1096 das erste Kreuzfahrerheer anschickt, nach Jerusalem zu ziehen, überredet der Passauer Abt Johannes seinen Bruder Karl, sich jeglicher Sünden reinzuwaschen und sich der Pilgerfahrt ins Ungewisse anzuschließen. Und so verpfändet der Kaufmann sein Hab und Gut, um sich einzureihen in die Massen derer, die das Kreuz nehmen wollen – und auf den letzten Drücker entscheidet sich Alice, lieber ihren Vater nach Jerusalem zu begleiten, als in Passau verheiratet zu werden. Und somit geht es dann los Richtung Morgenland….
Die Autorin erzählt die Geschichte dieses ersten Kreuzzuges von 1096-1099 sehr detailliert nach, und mit Alice, ihrem Vater Karl, ihrem Freund und Knecht Martin, ihrem Geliebten, dem Ritter Bernhardt und vielen anderen sind wir Leser ganz nah dabei. Das ist wirklich das Spezielle an diesem Roman: der Autorin gelingt es, die verbürgten Fakten, Schlachten und Wege des Heeres um Gottfried von Bouillon historisch getreu nachzuzeichnen, uns sozusagen eine 650 Seiten lange anschauliche Nachhilfestunde in Geschichte zu geben, und das Ganze zu verknüpfen mit den einzelnen Schicksalen der Protagonisten. Alice, Martin, Teresa und Bernhardt mögen fiktiv sein, ganz viele andere Charaktere sind es aber nicht, und somit wird die Story wirklich authentisch erzählt. Im Anhang gibt es auch noch mal ein ziemlich ausführliches Personenregister und ein paar weitere Fakten zum ersten Kreuzzug, und das hat die Sache rund gemacht. Sehr gut historisch recherchiert, und spannend und unterhaltsam geschrieben. Hat mir richtig gut gefallen. Und neben den Kreuzzugsfakten bekommen wir noch ein interessantes Sittengemälde der damaligen Zeit geliefert. Das fand ich auch sehr spannend. Privatsphäre gab es damals ja kaum bis gar nicht, man hat auf engem Raum zusammengelebt, Geburten und Tod waren öffentliche Dinge, und zu einer Hochzeit gehörte auch standardmäßig, dass die Ehe vor Zeugen vollzogen wurde….. ich glaube, da sind wir heute bei weitem schamhafter, als die Menschen damals.
Im Nachwort schreibt die Autorin: „Jede Person ist authentisch, fühlt, denkt, handelt und urteilt im gesellschaftlichen Rahmen der Zeit um 1100 und hat gleichzeitig ihren unverwechselbaren Charakter.“. Dem stimme ich komplett zu. Und muss gleich einwenden, bzw. ergänzen, dass gerade dieses „im Rahmen ihrer Zeit stecken“ der Personen es mir manchmal schwierig gemacht hat. Der normale Christ in Europa zu dieser Zeit war komplett im Kirchendenken drin. Alles, und zwar wirklich alles, war ausgerichtet auf die Herrlichkeit in der Ewigkeit und die Kirche hatte immer recht. Keine Diskussion, Punkt. Und in diesem Denken ist natürlich auch Alice voll drin. Eigentlich ist sie eine coole Socke: mit 15 alles in der Heimat aufgeben und zu Fuß nach Jerusalem mitlaufen, die unglaublichen Strapazen immer wieder zu überstehen, das Grauen der zahlreichen Gemetzel immer wieder zu ertragen, und das mehr oder weniger ohne Familie – das ist schon mutig. Alice selbst sieht sich aber nicht ganz so tough, denn ihr machen ihre Sünden und die gesellschaftlichen Normen immer wieder extrem viel Bedenken, und anstatt mal sich über Freundschaft und Liebe zu freuen, macht sie sich eher Gedanken, sich schon wieder dem Herrn Jesus gegenüber zu versündigen. Ich – mit meiner Brille des 21. Jahrhunderts – hätte sie manchmal schütteln mögen.
Ich komme mal zu einem Fazit: das war ein richtig guter historischer Roman, mit Drama, Abenteuer, Liebe, Schlachten und allen Emotionen des Lebens. Wer sich auf dicke Wälzer einlassen mag, ist hier bestens bedient!
Allerdings, ein Kriminalfall wie auf dem Cover erwähnt war es meiner Meinung nach nicht. Der weit zurückliegende Tod von Alices Mutter wird zwar immer mal wieder relevant, aber aufklären / ermitteln tut hier niemand. Das fehlt aber auch nicht 😉.
Bitte lesen!
Herzlichen Dank an den Gmeiner Verlag für das Rezensionsexemplar!