von Ursula Parrott

übersetzt von Tilda Engel

Neu aufgelegt Juli 2024 im S. Fischerverlag, ursprünglich erschienen 1929 bei Jonathan Cape und Harrison Smith, Inc.

Link zum Buch

Mit diesen Vergleichen zu Sex and the City und The Great Gatsby war ich ja, als Fan von beidem, wie sagt man so schön, hooked. Okay, musste ich lesen. Und ich muss mich auch gleich noch mal beim S. Fischerverlag bedanken für eine coole Bloggerbox incl. Buch, Lesezeichen und Gin – die passende alkoholische Untermalung im Miniformat kam gleich mit im Päckchen 🙂

Wie im Klappen- und Pressetext erwähnt, das Buch selbst ist vor ziemlich genau 100 Jahren geschrieben worden, und wurde 1929 über 100.000 Mal verkauft. Parrott wurde bald zu einer der erfolgreichsten Schriftstellerinnen der 1930er Jahre, doch nachdem ihre Popularität zurückgegangen war, unter anderem aufgrund diverser Gerichtsverfahren, starb Parrott schließlich arm und alkoholkrank an Krebs in New York. Und nun die deutsche Erstausgabe.

Hierum geht’s im Kurzformat: Pat, die Ich-Erzählerin, ist Mitte 20, als ihr Man Peter sie verlässt und sie somit eine „Ex-Wife“ wird. Nach nur 2 Jahren Ehe ist es aus, und ihr Leben steht Kopf. Pat beschreibt diese zwei Jahre Ehe und alles, was folgt, sehr genau und seziert ihre Gefühle und Gedanken, und nimmt uns mit in ihr Leben als moderne junge Frau im New York der „roaring twenties“.

Ich hab das Buch jetzt an einem Wochenende durchgelesen, und bin ein wenig ratlos, wie ich es a besten beschreibe und bewerte. Ich versuche mal, meinen Leseeindruck zu schildern. Ich gehe davon aus, dass dieses Buch stark autobiographisch geprägt ist (am Ende kommt nämlich noch mal ihr Sohn zu Wort, und was er über seine Mutter zu sagen hat, erweckt einfach den Eindruck, dass Pat und Ursula wenn nicht identisch sind, dann doch starke Ähnlichkeiten aufweisen). Also denn. In der ersten Hälfte des Romans erzählt uns Pat diverse Szenen aus ihrer Ehe, und wie es so zur Scheidung / Trennung überhaupt kam, und das sind teils keine wirklich schönen Szenen. Sowohl Pat als auch Peter trinken unglaubliche Mengen von Alkohol, was wohl für die Flappergirls und die damalige Partyszene völlig die Norm war, aber mich als Leserin oftmals nur kopfschüttelnd zurück gelassen hat. Viel Alkohol, viele Parties, viel Freiheit – und damit einhergehend auch viel Promiskuität. Bei Männern nicht schlimm, bei Frauen dramatisch. Zumindest war in der Ehe von Pat und Peter der Zug irgendwie abgefahren, nachdem Pat ihren Mann betrogen hatte. So cool und modern wie erwartet war der Göttergatte dann ja doch nicht, als dass er das ohne weiteres verkraftet hätte. Ja, und einen Hang zur Gewalttätigkeit hatte der gute Peter auch – und wie so viele Frauen hat auch Pat das irgendwie geschafft, völlig zu verdrängen, dass sie durch eine geschlossenen Glasscheibe geworfen wurde. Ja nu. Kann wohl mal passieren 🙁 . Irgendwann hat sich der gute Peter anderweitig verliebt, Pat war draußen, aber Pat hat das nicht akzeptiert und ist ihm endlos hinterher gelaufen und hat ihn zurück haben wollen – auch das, ja, soll es geben, war aber für mich als Leserin echt schwer erträglich. Ich hätte Pat schütteln können, wenn sie sich emotional nach diesem Typ verzehrt hat. Mann, Mann, Mann, wie sehr kann man sich erniedrigen. Und dabei war sie als erfolgreiche Werbetexterin und -leiterin gar nicht finanziell von ihm abhängig. Nach der Trennung hat sie echt recht schnell einen Bombenjob ergattert, und hatte Unterhalt z.Bsp. nicht nötig. Ja, ich war kurz davor, das Buch abzubrechen, weil mich das echt gestresst hatte – muss ich mir so was geben? Hat das irgendeine Art von Vorbildfunktion? Kann ich daraus was lernen? Nee. Echt nicht.

Aber dann! Irgendwann war Pat mehr oder weniger drüber weg. Zusammen mit ihrer Freundin Lucia, ebenfalls eine Ex-Frau, hat sie eine Wohnung in New York geteilt, und gemeinsam haben die beiden sich jeweils ein neues Leben aufgebaut. Jawohl, mit viel Parties und vielen Männern – aber auch mit neuen Freundschaften und neuen Zielen im Leben. Und mit neuen Erkenntnissen. Und mit erstaunlich viel neu gewonnener Lebensweisheit. Und ich muss sagen, im zweiten Teil des Buches war ich dann wieder voll dabei. Die zweite Hälfte hat mich dann mehr als ausgesöhnt mit der ersten Hälfte.

Da das Buch vor 100 Jahren geschrieben wurde, ist natürlich das Setting authentisch. Das ist ebenfalls echt cool als Pluspunkt hervorzuheben. Wenn Pat aus ihrem Berufsalltag schreibt, war das spannend und interessant. Und unterscheidet sich relativ gering von dem heutigem Alltag einer gestressten Marketingmanagerin 😉

Was das Buch natürlich auch faszinierend macht, sind die, wie sagt Mareike Fallwickl im Vorwort, Beschreibungen der misogynen Machtstrukturen der1920er, die sich teilweise immer noch 1:1 auf unsere heutige ach so moderne Zeit übertragen lassen. Und das ist eigentlich weniger faszinierend als vielmehr dramatisch. Ich alte Frau ü50 hatte echt mal den Eindruck, so in den 80ern bis frühen 2000ern hätte sich da was getan in Bezug auf die Gleichberechtigung der Geschlechter, oder auch schon etwas früher dank der Frauenbewegungen in den 60ern und 70ern, aber ich beobachte seit 10, 20 Jahren auch wieder einen Backlash, und dieses Buch hat mir genau diesen Backlash nochmal mit der Holzhammermethode nahegebracht. Wenn Lucia und Pat beispielsweise miteinander diskutieren, und dann so Sätze fallen wie : “Ex-Frauen scheinen drei Dinge zu tun. Manche begeben sich in den Zölibat und streben nach beruflichem Erfolg – das eine bedingt fast immer das andere, weißt du, ganz einfach weil es eine begrenzte Lebenskraft gibt, insgesamt aufbringen kann. (….) Aber sie haben keine Kinder, somit endet das Problem mit Ihnen.“ oder: „Wir sind frei. Kokolores. Wir sind frei, unsere Miete zu zahlen, uns selbst Kleider zu kaufen und uns mit den Verschrobenheiten von drei bis acht Männern abzufinden, die im Job Macht über uns haben, statt es nur einem Ehemann recht machen zu müssen. (…..) Das Wesentliche, was die Befreiung der Frau von der eintönigen Hausarbeit bewirkt hat, ist, dass die Männer von jeglicher Notwendigkeit befreit wurden, als Gegenleistung für Liebe, Treue und so weiter Stabilität zu liefern“. Jooo. Könnte man auch im Jahre 2024 trefflich drüber debattieren, hat an Aktualität nix verloren, oder vielmehr wieder an Aktualität gewonnen.

Also, unter einem feministischem Gesichtspunkt gesehen ist das Buch, oder zumindest die zweite Hälfte, ein Volltreffer.

Und bevor ich es vergesse, ganz was anderes, ich habe neue Musik entdeckt .-). Pat und Lucia hören auf ihrem Grammophon die „Rhapsody in Blue“ von Gershwin rauf und runter, und diesen Soundtrack gibt’s natürlich auch auf Spotify. Lohnt sich anzuhören, Gershwin hat was, und mir gefällts 🙂

Klick hier zum Album auf Spotify 🙂

Alles in allem gebe ich dem Roman 4 Sterne. Ich hatte mit dem ersten Part so meine Probleme, aber der Stil ist flott, ich würde sagen, die Übersetzerin macht es uns leicht, trotz allem dabei zu bleiben, und von daher: dran bleiben lohnt sich!

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