von Evelyn Waugh

 

Diogenes Verlag Neuausgabe 2018 / Original erschienen 1931

1930 wurde in Abessinien Haile Selassie zum Kaiser gekrönt, und dieses Ereignis zog ein schillerndes Publikum nach Addis Abeba. Auch Evelyn Waugh, seines Zeichens Sonderkorrespondent der englischen Times, zieht es dorthin. Und der renommierte Reiseschriftsteller und Journalist macht aus seiner Expedition ins heutige Äthiopien eine 300 Seiten dicke Reisereportage, in der er nicht nur den afrikanischen Kontinent im Allgemeinen und die Abessinier im Speziellen beschreibt, sondern auch mit spitzer Feder über die europäischen Diplomaten und die vergnügungssüchtige europäische Gesellschaft fernab der Heimat berichtet.

Auf dieses Buch hatte ich mich sehr gefreut, denn Waugh als Autor ist mir schon öfters ans Herz gelegt worden, und ich finde Reiseberichte aus dieser Zeit immer sehr spannend. Waugh hat eine erfrischend satirische Ader und eine spitze Zunge, und für englischen Humor bin ich ja generell sehr offen 😉.

Auf den ersten paar Seiten war ich auch gerade vom Stil her sehr angetan. Allerdings, es ist eine Sache, wenn ein zeitgenössischer ironischer Blick auf Mitreisende geworfen wird, und eine andere Sache, wenn dieser Blickwinkel auch komplett auf Abessinien gerichtet wird. Addis Abeba mit Alice im Wunderland zu vergleichen ist beispielsweise beim ersten Mal Lesen halbwegs witzig, beim wiederholten Male Lesen verrät es schon Geringschätzung zu Ungunsten des afrikanischen Kontinents. Klar, Waugh ist ein Kind seiner Zeit und hat einen imperialistischen Blick auf die Dinge, aber die political incorrectness, die ein Kritiker dem Münchner Abendzeitung auf dem Buchrücken als erfrischend lobt, fand ich persönlich irgendwann nur noch unpassend und nervend. Ich hatte auch den Eindruck, dass der Autor seine Reise irgendwann nicht mehr interessant und spannend fand, sondern sich selbst gelangweilt hat. Für mich war der Reisebericht auch ein wenig sprunghaft, manchmal konnte ich den Gedankensprüngen schwer folgen. Es war teilweise auch arg abgehackt. Beispiel: S. 259: Waugh beginnt mit der Schilderung eines Kinobesuchs am Samstagabend, beschreibt in Schachtelsätzen den Inhalt eines Charlie-Chaplin-Filmes, dann in 7 Zeilen den Inhalt eines indischen Filmes, und dann geht es übergangsweise weiter mit  „Die Kirche in Tabora war sehr schön (….).“ Ok. Wir sind also nicht mehr im Kino, sondern plötzlich Sonntagmittags in einer Kirche. Und nach weiteren 7 Zeilen ist das Kapitel zu Ende. Hä?????

Tja, was soll ich sagen, ich hab die letzten zwei Drittel des Buches nur noch grob überflogen. Ich war irgendwann null gefesselt, und dachte aber als, vielleicht kommt ja noch was. Kam aber nicht.

Es gibt in dieser Ausgabe noch ein etwa 30-seitiges Nachwort, in dem Biographen Waughs zu Wort kommen, inkl. Kartenmaterial zum äthiopischen und britischen Reich 1930, das war dann noch mal interessant. Allein, Waughs Bericht war es nicht. Schade.

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