von Vanessa F. Fogel
„Glückliche Familien haben keine Vergangenheit“ – das ist das Motto von Yankele und Dora Hertzmann, einem jüdischem Paar, das den Holocaust überlebt hat, in der Nachkriegszeit ein erfolgreiches Kaffeeimperium aufgebaut haben, und die nach Amerika emigrierten, um sich dort geschäftlich zu vergrössern.
Nun sind Dora und Yankele in ihren 80ern, und es ist Zeit, die Firma in die Hände der nächsten Generation zu legen, doch genau das ist ein Problem: Die 4 Kinder der Hertzmanns sind einander spinnefeind, und niemand gönnt dem anderen das Erbe. Und auch die Beziehung der Kinder zu den Eltern ist nicht wirklich harmonisch, vordergründig ist alles in Ordnung, aber Kommunikation findet nicht wirklich statt. Da kommt Yankele auf eine Idee: Wenn ihm niemand im direkten Gespräch zuhören möchte, dann vielleicht ist das Internet eine gute Idee. Und so besorgt er sich eine Kamera und filmt sich in nächtlichen Sitzungen dabei, wie er seine Lebensgeschichte, und somit die Familiengeschichte erzählt und eröffnet einen eigenen YouTube-Kanal. Und er hofft, auf diese Weise auch seine in den Kriegswirren von ihm getrennte Schwester zu erreichen, die mittlerweile in Venezuela lebt…..
Der Roman ist auf 3 geographischen Ebenen erzählt: in New York sind wir bei Yankele und Dora, in Berlin bei Robin und Marc, und in Venezuela bei Magdalena und ihrem Sohn Jose-Rafael. Jeder Erzählstrang wird aus der Ich-Perspektive eines der Protagonisten erzählt, sodass man immer sehr nah dran am Geschehen und den Emotionen ist, aber ich gestehe, ich hatte ein paar Schwierigkeiten, die 3 Teile zu einem Ganzen zu fügen. Natürlich geht es um die Familie Hertzmann, aber ich brauchte eine Weile, um die familiären Strukturen zu verstehen.
Vanessa F. Fogel hat eine wunderbare bildreiche Sprache (Wunderbar sind beispielsweise immer Yankeles Lebensweisheiten, die immer mit Kaffee zu tun haben, humorvolle Aphorismen, die zur Atmosphäre des Romans beitragen), und auch ihr Erzählstil ist lebendig und teilweise poetisch. Das Buch lässt sich sehr flüssig lesen, wunderbar leicht geschrieben.
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, hatte aber auch mit ein paar Dingen meine Schwierigkeiten. Die Nicht-Kommunikation innerhalb der Familie, unter der Yankele so sehr leidet, ist für meinen Geschmack zu wenig erklärt worden. Hier kann ich als Leser nur vermuten, dass diese Sprachlosigkeit vielen Überlebenden des Holocaust zu eigen ist.
Und am Ende ist es auch diese Sprachlosigkeit, die ein sehr merkwürdiges offenes Ende liefert. Ohne zu spoilern, hier war ich irritiert, als tatsächlich nichts mehr kam. Am Ende. Das für mich kein Ende war. Aber über so etwas kann man ja trefflich streiten!
Daher von mir 4 von 5 Sternen!