Briefe einer Freundschaft

von Astrid Lindgren und Louise Hartung

Herausgegeben von Jens Andersen und Jette Glargaard

Erschienen im Ullsteinverlag 2016

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Wie der Untertitel schon sagt, dieses Buch ist eine Sammlung von Briefen, die die weltberühmte schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren mit ihrer deutschen Freundin Louise Hartung in den Jahren 1953 – 1964 austauschte. 1953 lernten die beiden sich kennen; Astrid stand am Beginn ihrer schriftstellerischen Karriere, und in Louise hatte sie nicht nur eine treue Freundin gewonnen, sondern auch jemand, die im Berliner Jugendamt arbeitete, und über ihre beruflichen Kontakte (Frau Hartung sass jahrelang auch im Komitee der neugegründeten FSK und hielt Vorträge bei den Vereinten Nationen) die Bücher Lindgrens in Deutschland propagierte. In den 50ern gab es dank Louise in Berlin keine Bibliothek, die nicht bestens mit Pippi & Co.  bestückt war.

Der Briefwechsel der beiden sollte erst mit Louises Tod 1964 enden, und die beiden waren so fleissig, länger als 3 Wochen wurde er nie unterbrochen. Wenn eine der beiden im Urlaub war, teilte sie der jeweils anderen immer die Adresse mit, so dass die zwei wirklich immer in Verbindung standen und sich austauschten.

Ich liebe ja alle Bücher von Astrid Lindgren, ich bin mit Pippi, Kalle Blomquist, den Kindern von Bullerbü, Madita und Pims und wie sie alle heissen aufgewachsen, und habe vieles davon auch meinem Sohn als er klein war vorgelesen. Für mich sind die Bücher schon fast Kulturgut, aber ich gestehe, mit der Autorin habe ich mich lange nicht befasst. Ich habe vor kurzem Lindgrens Kriegstagebücher gelesen, und war eher etwas enttäuscht, weil diese nicht wirklich viel von der privaten Person Astrid erzählt haben, und jetzt hat mir eine Freundin diesen Briefroman ausgeliehen – und ich muss sagen, das hier ist echt spannend!  Man erfährt viel über das private Leben beider Frauen, ihrer Weltansichten, ihrer Persönlichkeit. Und man erfährt viel über das Leben zweier berufstätiger Frauen in den 50ern und 60ern. Und da muss ich sagen, das hätte ich so nicht erwartet. Man (oder vielmehr ich) hat irgendwie so das Bild der Hausfrau zu diesen Zeiten im Kopf, die ersten Nachkriegsjahre sind vorbei und der Mann hat wieder das Heft in die Hand genommen. Und ich denke, die allermeisten Frauen haben sich in den 50ern auch wieder an den Herd drängen lassen. Aber nicht so Louise und Astrid! Man muss dazu sagen, Louise war zeitlebens unverheiratet, und Astrid seit Beginn der 50er verwitwet, und die beiden sind wirklich berufsmässig komplett durchgestartet. Astrid war nicht nur Kinderbuchautorin, sie arbeitete auch noch in einem Verlag, sie schrieb fürs Radio, und hat immer irgendein Projekt am Laufen gehabt, und Louise hat in ihrem Amt Karriere gemacht, und war, so würden wir heute sagen, bis in höchste Ebenen „connected“. Sie war sehr viel am Reisen, immer unterwegs mit ihrem VW Roadster, und ich war echt platt, was die beiden jede auf ihrer Art und weise jobtechnisch „gerissen“ haben. Chapeaux! Das Buch ist echt ein Zeitzeugnis und portraitiert zwei starke Frauen.

Was dieses Buch aber wirklich ausmacht, ist der Einblick in ihre Freundschaft. Und das fand ich wirklich teilweise herzzerreissend. Die beiden verbanden tiefe Gefühle, die aber bei Louise tatsächlich tiefer als bei Astrid waren. Sie hat sie echt geliebt. Sie war von Sehnsucht erfüllt, und hat ihre Gefühle der Freundin auch schonungslos offenbart. Astrid wiederum hat Louise „nur“ als Freundin geschätzt und geliebt, und wollte keine falschen Hoffnungen wecken. Um dieses Thema ist Astrid teils sehr herumgeeiert, und teils hat sie Louises Worte an sie auch einfach ignoriert und totgeschwiegen – was Louise natürlich total gekränkt hat. Ach, das war echt sehr emotional zu lesen. Vor allem, weil Louise die Freundin nie bedrängt hat, wie man das vielleicht hätte meinen können – sie hat sich zwar erklärt, aber davon abgesehen wollte sie nichts, was die andere nicht hätte freiwillig und gerne geben können. Trotzdem hat Astrid sich des Öfteren in die Enge gedrängt gefühlt – und ich fand das beim Lesen so schade. Im Vorwort des Buches gehen die beiden Herausgeber darauf auch kurz ein: da sind auch zwei unterschiedliche Lebensauffassungen auf einander getroffen. Louise, die im weltoffenen Berlin in den 20ern als Sängerin unterwegs war, und Astrid, die in eher ländlichen, bürgerlichen Verhältnissen aufwuchs und lebte. 2 Welten prallen aufeinander.

Einen anderen spannenden Aspekt will ich auch noch kurz erwähnen: beide Freundinnen litten mehr oder weniger stark an Depressionen. Melancholie. Das fand ich spannend, denn früher sprach man ja darüber so gut wie gar nicht. Louise und Astrid aber haben sich hier gegenseitig immer wieder Stärke geben können. Ein interessanter Nebenschauplatz.

Und um ein Fazit abzugeben: sehr lesenswert! Auch für „Nicht-Lindgren-Fans“. Das hier ist ein spannender Briefroman, mit vielen Faksimiles, und die berührende Schilderung zweier Frauenleben. Daumen hoch!

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