von James von Leyden

Erschienen 2021 by Constable, UK

Der zweite Fall für den marokkanischen Polizisten Detective Karim Belkacem

Letztes Jahr habe ich den ersten Fall von Karim auf deutsch gelesen (Schatten über Marrakesch) und für sehr gut befunden, und den neuen Teil wollte ich nun im Original haben und lesen. Ich habe auf die Taschenbuchausgabe gewartet, und die kommt nun fast zeitgleich mit der deutschen Ausgabe heraus (Die Vermissten von Tanger).

Link zum englischen Buch und zur deutschen Ausgabe

Hierum geht’s:  Die Polizei in Marokko kämpft gegen Drogen- und Medikamentenschmuggel. Vor allem die gefälschten Medikamente, die ins Land kommen, sind ein grosses Problem. Karims Freund und Kollege Abdou ermittelt im Hafen von Tangier und wird als vermisst gemeldet. Daraufhin wird Karim von Marrakesch nach Tangier versetzt, um den Verbleib Abdous aufzuklären. Schon bald ist klar, Abdou muss an einer grösseren Sache dran gewesen sein und ist beseitigt worden. Es ist nur die Frage, was genau hat er herausgefunden – und welche Kreise zieht das Ganze?

In einem zweiten Erzählstrang begleiten wir Joseph, einen „sub-Saharan Migrant“, der sich bis nach Marokko durchgeschlagen hat, und über Ceuta die Flucht nach Spanien wagen will. Ceuta befindet sich im oberstem, nördlichem Zipfel Marokkos unweit Tangier und ist eine Art Niemandsland; gehört rechtlich aber zu Spanien, und damit zu Europa. Wer die Absperrungen Ceutas überwindet, hat es als Flüchtling geschafft und Anrecht auf Asyl in Europa. Spannendes Thema, wusste ich bislang gar nichts von. Ceuta ist auf jeden Fall ein auch im wahrsten Sinne des Wortes hartumkämpfter Ort, und Polizei und Flüchtlinge liefern sich hier oft dramatische Kämpfe.  Aber auch der Seeweg Tangier – Tarifa / Spanien ist heissbegehrt, und Menschenschmuggler haben hier Hochkonjunktur.

Die Wege von Joseph und Karim kreuzen sich mehrfach, und irgendwann ist klar, die Spur zum Verschwinden Abdous führt zum Human Trafficking, und die Kartelle, die dahinterstehen, scheinen allmächtig und sind überall….Die Ereignisse überschlagen sich, und Karim muss Hilfe bei seiner „kleinen“ Adoptiv-Schwester Ayesha suchen, die mittlerweile einer der wenigen weiblichen Kadetten der marokkanischen Polizeiakademie ist.

Der Kriminalfall ist auf jeden Fall thematisch hochaktuell, und hat mich echt begeistert. Spannend geschrieben, und man merkt wieder. Der Autor kennt sich mit Land und Leuten aus. Sehr bildhaft beschrieben, man hatte beim lesen das Gefühl, man ist in Tangier und im Containerhafen life dabei. Wer doch mal nicht mitkommt: die Karten helfen 😉!

Man bekommt auf jeden Fall auch einen interessanten Einblick in das Leben und die Kultur Marokkos. Das fand ich schon im ersten Band sehr interessant, und hier hat sich der Autor noch mal gesteigert. Mit Ayesha gibt es auch eine weibliche Hauptfigur – ich liebe ja weibliche Heldinnen, und hier gibt es eine starke Frauenfigur, die aber trotz allem in ihrer muslimischen Kultur tief verwurzelt ist. Und der Autor schafft es, diesen Konflikt zu lösen, denn warum soll mit ein wenig Weltoffenheit nicht beides gehen? Ich fand das realistisch und gut gelöst.

Und während ich im ersten Band noch so das Gefühl hatte, dass wir als Europäer die Marokkaner irgendwie nie richtig verstehen werden, so hat der Autor hier zumindest versucht, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Und er hat definitiv wieder mein Fernweh geweckt!

Also, zusammengefasst: spannender Krimi, viel Lokalkolorit und Atmosphäre, viel Action, aber auch viel politische Hintergrundinformation, und ein Ermittler, der mir dieses Mal richtig sympathisch wurde! Und Ayesha ist meine neue Krimi-Heldin, ich hoffe, von ihr werden wir noch viel lesen.

Volle Punktzahl, volle Empfehlung!

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