von Daisy Alpert Florin
erscheint bei Eisele eBooks (27. März 2024)
„Ein brillanter und mitreißender Dark Academia Roman“ sagt der Verlag gleich als Erstes, und ich weiss jetzt gar nicht, was Dark Academia sein soll. Academia wahrscheinlich, weil der Roman am Wilder College spielt, und dark? Hm, wir haben da eine geheime Affaire, aber dark ist die nicht wirklich.
Das jetzt mal vorab, und nun kurz zum Inhalt: Wir sind Ende der 1990er. Isabel Rosen kommt aus eher ärmeren Verhältnissen; ihr Vater Abe führt in New York ein jüdisches Lebensmittelgeschäft, das die Familie immer so gerade eben unterhält. Isabel nun will Schriftstellerin werden, und kommt ans Wilder, um Anglistik zu studieren. So richtig fest sind die Pläne nicht, aber man hat ja Träume. Der Roman ist aus Isabels Ich-Perspektive geschrieben, und wir begleiten sie durch ihr letztes Collegejahr, in dem sich vieles für sie ändern wird. Da ist Zev, ein Mitstudent, mit dem sie eines Abends im Bett landet, und ziemlich desillusioniert anschliessend wieder in ihr Wohnheim geht – Freundin Debra spricht von einer Vergewaltigung, aber ist es das wirklich? Und wenn nicht – was ist eigentlich einvernehmlicher Sex?
Dann fällt Isabels Lieblingsprofessorin Joanna aus, und stattdessen leitet R.H. Conelly den Kurs im kreativen Schreiben. Er erkennt Isabels Talent und die beiden beginnen eine leidenschaftliche Affäre, die natürlich geheim bleiben muss.
Wir haben hier – sage ich mal – eine Coming-of-age-Geschichte mit dem Hintergrund des Universitätsgeschehens an einem kleinen amerikanischen College. Jeder kennt jeden, ob Prof oder Student, und wir begleiten Isabel durch ihr Studentenleben, dass zum Ende hin nach jahrelangen Partys ein wenig Glanz verliert, und das „wahre Leben“ durchscheint. Wir sind ganz nah dran an Isabels Entwicklung, „Wir lernen sie als kluge, reflektierte Studentin kennen, deren Selbstgewissheit durch das Erlebnis mit ihrem Kommilitonen aus den Fugen gerät.“, so sagt der Verlag; und dem stimme ich zu. Isabel seziert ihr (Innen)-Leben und lässt uns daran teilhaben.
Nebenbei gibt es ein Drama um Joanna und ihren Mann, und als ein Kind entführt wird, muss Isabel endgültig entscheiden, was sie möchte…..
Ja. Ich ringe ein bisschen um Worte. Ich fand es superspannend. Ich war in den 90ern auch Studentin, und fühlte mich in diese Zeiten zurückversetzt. Ich konnte mich gut in die junge Frau hineinversetzen.
In viele Dinge ist sie mehr oder weniger hineingestolpert, und versucht, erwachsene Lösungen zu finden – denn sie ist mittlerweile erwachsen.
Ich habe in einem Interview mit der Autorin gelesen, dass sie hier auch die damaligen patriacharlichen Strukturen speziell auch an der Uni aufzeigen wollte, und den Blick darauf lenken möchte, wie abhängig Frauen oftmals von männlicher Aufmerksamkeit und Lob sind. Ja, ist gelungen und gut eingearbeitet in den Roman, aber ich habe das jetzt nicht so als vordergründiges Thema wahrgenommen, Ich war bei Isabel und ihrem Weg, und fand sie gar nicht so schwach.
Mein Fazit: das ist mal wieder ein rundum guter Roman, Gut und flüssig geschrieben, hat mich abgeholt, und zum Nachdenken gebracht.
Vielen Dank an den Verlag und an Netgalley für das Rezensionsexemplar!
Interview mit der Autorin
Isabel Rosen kommt aus einfachen Verhältnissen und findet erst spät ihren Platz in der Collegegemeinschaft. Wir lernen sie als kluge, reflektierte Studentin kennen, deren Selbstgewissheit durch das Erlebnis mit ihrem Kommilitonen aus den Fugen gerät. Ist sie ein Opfer ihrer Umstände?
FLORIN: Als Romanautorin möchte man natürlich seinen Figuren Geheimnisse und Schwachstellen geben und sie in Konflikte bringen, um zu sehen, wie sie sich unter Druck verhalten könnten. Was immer ich also mit Isabel angestellt habe, habe ich getan, um auf einer tieferen Ebene herauszufinden, wer sie ist und wozu sie fähig ist. Abgesehen davon betrachte ich sie nicht als Opfer der Umstände. Ich denke, sie navigiert sich nur durch den schwierigen Übergang zum Erwachsensein und sieht, wie Klasse und Geld ihre Ambitionen erschweren.
Es sind hauptsächlich Männer, die Isabels Entwicklungsgeschichte beeinflussen, sei es ihr Vater nach dem frühen Tod der Mutter oder besagter Professor. Wie werden junge Frauen in ihrem Erwachsenwerden in patriarchalen Strukturen geprägt?
FLORIN: In dem Roman geht es definitiv um die Idee der männlichen Anerkennung und Bestätigung: den sogenannten männlichen Blick – das Patriarchat lehrt den Frauen diesen zu suchen. Insbesondere wollte ich untersuchen, wie Mentorenschaft in der akademischen Welt, einer patriarchalen Institution mit vielen männlichen Gatekeepern, benutzt werden kann und wie Talent und Ehrgeiz junger Frauen sexualisiert werden können. Als jemand, der in den 1980er und 1990er Jahren aufgewachsen ist, habe ich lange nicht verstanden, wie stark mein Wunsch nach männlicher Anerkennung war. Ich habe viele Jahre damit verbracht, das für mich selbst zu entwirren. Ich denke, dass junge Frauen heute ein klareres Gespür dafür haben und dabei helfen, den Weg zu weisen.
Ihr Buch spielt vor dem Hintergrund der Affäre zwischen US-Präsident Bill Clinton und Monica Lewinsky in den 1990er Jahren, die weltweit für Aufsehen sorgte. Welche Bedeutung kommt in Ihren Augen dieser Ära heute – nach #MeToo – zu?
FLORIN: Als ich mit dem Schreiben des Romans begann, spielte der Clinton-Lewinsky-Skandal in der Geschichte überhaupt keine Rolle. Aber als ich die Trump-Jahre miterlebte, sah ich, wie das politische Klima selbst auf unsere intimsten Beziehungen Einfluss nehmen kann. Für mich ist die Frage von Monica Lewinsky und wie sie behandelt wurde besonders interessant, weil wir genau gleich alt sind und vermutlich mit vielen gleichen Annahmen und Einflüssen aufgewachsen sind. Als sie 2014 in die Öffentlichkeit zurückkehrte, hatten viele Frauen wie ich eine völlig andere Sichtweise auf das, was ihr widerfahren war, und auf die Frage, inwieweit wir möglicherweise mitschuldig waren. Ich denke, wenn heute etwas Ähnliches passieren würde, wäre die Reaktion eine ganz andere, und das haben wir #MeToo zu verdanken.
Quelle: amazon.de