von Gabi Schenkel
erschienen im Mai 22 bei Eden Books
Link zum Buch
Gabi Schenkel, Jahrgang 1977, Osteopathin und passionierte Ultraläuferin aus der Schweiz, entscheidet sich 2018 spontan, bei der nächsten Atlantic Challenge mitzumachen, einem Ruderwettbewerb quer über den Atlantik. Sie ist zuvor zwar noch nie im Leben gerudert, aber von dieser Herausforderung fasziniert, und setzt sie um. Es stehen ein Jahr intensives Training an, plus Kauf, bzw. Erstellung eines Bootes, und dann geht es tatsächlich los: am 12.12.2019 startet Gabi in La Gomera, und das Ziel, die karibische Insel Antigua, soll sie nach 5252 Kilometern und einer Dauer von knapp 75 Tagen und mehr als 3 Millionen Ruderschlägen erreichen. Auf dieser Reise dürfen wir sie begleiten; die Autorin hat (Video) -Tagebuch geführt und daraus ist dieses Buch entstanden. Durchsetzt ist der Reisebericht mit Rück- und Einblicken in Gabis Leben, und einem Fototeil in der Mitte. 75 Tage Einsamkeit, 75 Tage oftmals raue See, 75 Tage körperliche und mentale Herausforderung – die Atlantic Challenge ist eines der härtesten Ruderrennen der Welt, und wir begleiten die Autorin auf ihrem Abenteuer.
Soviel jetzt erstmal generell zum Inhalt. Und ich habe jetzt ein wenig Probleme, meine Lese-Eindrücke zu formulieren. Das Buch ist – natürlich – in der Ich-Form geschrieben, die Autorin erzählt. Und das tut sie hautnah, wir sind als Leser immer nah dabei. Was ja immer gut ist. Allein, ich konnte zu Frau Schenkel keine rechte Beziehung aufbauen. Ich fand es zum einen etwas schräg, so eine Aktion mehr oder weniger aus dem Stehgreif heraus anzugehen, und in einem kurzem Jahr generalstabsmässig durchgeplant durchzuziehen. Für jemand, der tatsächlich noch nie auch nur ein Ruder in der Hand hatte – da frag ich mich halt, wieso muss es dann gleich diese Monsteraktion sein? Was muss sich da jemand beweisen? Und tatsächlich, die Autorin schleppt extrem viele Probleme mit sich herum. Sie erzählt ausführlich von ihren Mobbingerfahrungen durch die ganze Schulzeit hinweg, und davon, wie unverstanden sie immer von Freunden / Bekannten / Männern war, respektive ist. Irgendwann wird auch das Wort Depression erwähnt – das hab ich mir schon nach kurzer Zeit gedacht. Es geht ihr auch nicht gut auf der ganzen Reise. Sie hat durch die Bank Magenprobleme weil Seekrank, kann oft nicht gescheit essen, hat gleich zu Anfang eine üble Erkältung, die mit Antibiotika kuriert werden muss, und zieht sich mehr als einen blauen Fleck an Bord zu. Und das nimmt sie natürlich mit, und die Tränen fliessen des Öfteren. Ich hatte Anfangs beim Lesen noch gedacht, oh weh, die Arme, das sind aber gewiss nur Anfangsschwierigkeiten, aber das lief das ganze Buch durch nicht wirklich besser. Irgendwas hatte sie ständig. Irgendwas lief immer schepp. Und das hat mir einerseits echt leid getan, andererseits hat es mich als Leser irgendwann etwas gestresst, wenn die Nerven der Autorin schon wieder blank lagen und sie in ihrer gedanklichen Negativspirale drin war, und diese dem Leser aber auch en Detail dargelegt hat. Also, ich merke gerade, das hört sich jetzt von mir nicht wirklich nett an, ich glaube, ich hatte auch völlig falsche Vorstellungen respektive Erwartungen an das Buch: ich dachte nämlich, hier kommt ein super Motivations-Abenteuerbericht. Ich habe Inspiration pur erwartet. Ich liebe Reiseberichte, ich bin auch Fan von extremen körperlichen Herausforderungen, und ich bilde mir ein, als ehemalige passionierte Marathonläuferin ein wenig die Denke von Langstreckensportlern zu verstehen, aber die Autorin blieb mir völlig fremd. Ich hab es echt nicht kapiert, warum sie diesen Trip gemacht hat. Das Rudern liebt sie auf jeden Fall nicht, soviel steht fest, und eigentlich mag ich an solchen Erlebnisberichten auch immer sehr, wenn die Liebe zur jeweiligen Sportart mitschwingt. Na, das sucht man hier vergeblich.
Ich glaube, die Autorin hat auf diesem Trip einiges für sich selbst verarbeitet, und das ist ja auch völligst in Ordnung. Der Klappentext sagt, diese Reise wurde für sie „zur Konfrontation mit der eigenen Geschichte, ihren Ängsten und Sehnsüchten“ – und nochmals, das ist super für sie, aber für mich als Leser kam das Gesamtpaket negativ rüber. Ein paar wenige Glücksmomente, wenn beispielsweise ein Wal oder ein Delfin vorbeikamen – ja. Da hätte ich gerne mehr von gelesen.
Ich hab mich irgendwann schon fast gestresst gefühlt von der Negativität der Autorin. Beispiel gefällig? S. 166: „Ich bin noch nicht wirklich weit gekommen, in meinen Bemühungen, mich zu mögen. Kein Wunder, ziehe ich auch immer wieder diese Scheisssituationen an (….)“. Hmmmm. Also, Inspiration geht anders.
Es gab noch so einige andere Momente, bei denen ich nur mit dem Kopf geschüttelt habe. Kostprobe S. 136; Frau Schenkel erzählt von ihrem Ultralauf 2014 in Griechenland; bei der Halbzeit KM 90 von insgesamt 180 hat sie sich einen Ermüdungsbruch zugezogen, aber anstatt das Rennen abzubrechen, kämpft sie sich durch, und berichtet, sie „habe im Anschluss meinem Körper die Ruhe gegönnt, welche er für sich forderte. So verfeinerte ich mein Körpergefühl und meine Wahrnehmung immer mehr.“. Sorry, als Yogalehrerin und Sporttrainerin habe ich eine andere Auffassung von Körpergefühl und vor allem von Körperliebe.
Ach Mensch. Auf das Buch hatte ich mich echt gefreut.
Okay, ich mag das Buch auch nicht zerreissen, und vor allem, ich habe ja selbst nicht in ihren Schuhen gesteckt, und jetzt noch ein paar positive Aspekte: Das Buch ist gut geschrieben. Sehr flüssig lesbar, gut geordnet, und ansprechend gemacht. Ein Plus ist natürlich auch der ansprechende Fototeil in der Mitte, ich habe so ein Ruderboot nämlich noch nie gesehen, das war schon sehr interessant.
A propos Fotos … ich traue es mich fast kaum zu sagen, aber glücklich sieht die Autorin auf den meisten Bildern nicht aus.
Ja, ich fasse zusammen, ich hab hier etwas anderes erwartet und hatte dann meine Probleme. Ich gebe 2,5 von 5 Sternen.
Trotzdem: 1000 Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar, auch wenn es leider nicht ganz meins war.