von Alan Parks
erscheint bei Canongate Books (25. Mai 2023)
englischer Klappentext: „A woman enters a Glasgow police station to report her son missing, but no record can be found of the boy. When Detective Harry McCoy, seconded from the cop shop across town, discovers the family is part of the cultish Church of Christ’s Suffering, he suspects there is more to Michael’s disappearance than meets the eye.
Meanwhile reports arrive of a string of poisonings of down-and-outs across the city. The dead are men who few barely notice, let alone care about – but, as McCoy is painfully aware, among this desperate community is his own father.
Even as McCoy searches for the missing boy, he must conceal from his colleagues the real reason for his presence – to investigate corruption in the station. Some folk pray for justice. Detective Harry McCoy hasn’t got time to wait.“
Dies hier ist der 6. Teil der Harry-McCoy-Serie, es ist erst Juni, und in Glasgow tobt das Verbrechen. Ich habe die ersten drei Teile (Januar-März) gelesen, und war schwer begeistert, also war ich echt wild auf die Fortsetzung(en). Vielleicht generell erstmal ein paar Sätze zur Serie: wir sind im Jahre 1975, Schottland, und begleiten den Detective Inspector Harry McCoy bei seinen Ermittlungen. McCoy ist special, eher ein Underdog, ein Haudegen, der keiner Schlägerei aus dem Weg geht, dessen bester Kumpel aus Kindertagen Stevie Cooper eine der aufstrebenden Größen der Glasgower Unterwelt ist, und der aus unterprivilegierten Schichten stammt. Aber er ist clever, und hat sich den Ruf erworben, ein guter Polizist zu sein.
Das Setting der Serie ist eher „noir“, wie ich in einer Rezension so schön gelesen habe, sprich ungeschönt brutal realistisch, vielleicht sogar etwas zu hart. Die Bücher sind auf jeden Fall immer eine Sightseeingtour in die eher unschönen Ecken der Stadt. „Bloody and brilliant“ nannte die Presse diese Serie, und genauso habe ich das bislang auch gefeiert.
Okay, soviel mal zu den generellen Eckdaten. In Band 6 nun hat McCoy – eigentlich wie gewohnt – gleich mehrere Baustellen vor sich. Mit seinem Detective Wattie zusammen ist er an eine andere Station versetzt worden, um dort undercover Korruptionsverdacht nachzugehen. Gleichzeitig sterben reihenweise alte Alkoholiker in der Stadt. McCoy ist der erste, der eine Mordserie vermutet, und er ist einer der wenigen, die es überhaupt interessiert, dass diese Zielgruppe ins Visier genommen wird: sein eigener Vater lebt auch alkoholabhängig auf der Straße. Dann gibt es noch gleich zwei Tote, die mit einer merkwürdigen Kirchengemeinde in Zusammenhang stehen, und in einem weiterem Erzählstrang hält Kumpel Stevie die Welt in Atem mit seinen Plänen, der nächste lokale Pate zu werden. Also, für genügend Action ist gesorgt, und was mich erneut fasziniert hat, ist wie diese vielen Puzzleteile am Ende ein stimmiges Ganzes ergeben, und McCoy die Fäden zusammenbringt.
So, und jetzt muss ich leider sagen: mich hat es dieses Mal nicht so gepackt. Die raue Stimmung, das Setting: spannend wie immer. Die Fälle: cool gemacht, auch wie immer. Die Hauptfiguren: die haben mich leider etwas verloren. Ich fand bei McCoy immer dieses raue Schale – weicher Kern – Prinzip so ansprechend. Der etwas abgehalfterte Detective, der gerne selbst entschieden hat, ob das Verbrechen offiziell aufgeklärt wird, und Gnade vor Recht hat ergehen lassen. Tja, und irgendwie habe ich das Gefühl, McCoy verliert gerade seinen moralischen Kompass. Bzw. er verliert sich selbst. Der ganze Sumpf um ihn herum scheint ihn zu verschlingen. Gefühlt war er nur noch versoffen, auf illegalen Touren unterwegs, und in Depressionen versunken. Nur noch als egoistisches A***** unterwegs – und sorry, mir gingen hier im Laufe des Buches meine Sympathien flöten. Am Ende ganz auf den letzten Seiten scheint McCoy sich zu überlegen, ob er nicht ganz die Seiten wechseln soll – tja nu, da muss ich sagen, das mag vielleicht realistisch sein, aber für mich hat sich die Serie dann erledigt. Als literarischer Held hat McCoy dann für mich ausgedient. Tja schade.
Sein Detective Wattie hatte leider weniger Raum als sonst, was ich ebenfalls schade fand; Wattie war mir immer sehr sympathisch. Aber selbst der verliert sein Vertrauen langsam aber sicher in McCoy, und das fand ich bedauerlich.
Nun ja.
Ein paar Worte noch zur Sprache / Übersetzung: Die ersten Bände habe ich auf Deutsch gelesen, und muss sagen, die Übersetzungen waren brillant, sie haben das Feeling, das Setting genau eingefangen. Das kann ich jetzt so feststellen, nachdem ich auch mal ein Original gelesen habe. Die Bücher sind generell recht dialoglastig, das macht es sehr lebendig, aber es wird natürlich auch viel Umgangssprache verwendet, und da bin ich als Nicht-Muttersprachlerin manchmal echt ins Stocken geraten, seit langem habe ich mal wieder ein paar Begriffe gegoogelt (panda cars? Polizeiautos, lol!). Das machte das Lesen für mich aber durchaus interessant, ich meine das nicht negativ. Ist jetzt aber lesetechnisch streckenweise nichts zum nebenbei durch-suchten gewesen.
Mein Fazit: Coole Story, gut erzählt, aber mit einem Helden, der sich für mich langsam selbst erledigt. Die mir noch fehlenden Teile 4 und 5 werde ich bei Gelegenheit noch lesen, aber ob ich weiterhin dranbleibe? Ich glaube eher nicht.
Herzlichen Dank an den Verlag und an Netgalley für das Rezensionsexemplar!