von Christopher Huang
erscheint im Januar 2023 bei Inkshares
Ich kannte weder den Autor noch den Verlag, aber die Kurzbeschreibung klang extrem vielversprechend:
„Sir Lawrence Linwood is dead. More accurately, he was murdered—savagely beaten to death in his own study with a mediaeval mace. The murder calls home his three adopted children: Alan, an archeologist; Roger, an engineer; and Caroline, a journalist. But his heirs soon find that his last testament contains a strange proviso—that his estate shall go to the heir who solves his murder.
To secure their future, each Linwood heir must now dig into the past. As their suspicion mounts—of each other and of peculiar strangers in the churchless town of Linwood Hollow—they come to suspect that the perpetrator lurks in the mysterious origins of their own birth.“
Oder auf deutsch: Wir sind im Jahre 1921 in Yorkshire. Sir Lawrence Linwood wird brutal ermordet aufgefunden. Zur Beerdigung reisen seine drei Adoptivkinder an: der Archäologe Alan, der Ingenieur Roger und die Journalistin Caroline. Bei der Testamentseröffnung wird klar: derjenige der Nachkommen, der den Mörder findet, wird Alleinerbe sein. Und nun geht das Spiel los: natürlich will jeder den Fall lösen. Aber schon sehr bald stolpern die Geschwister über Merkwürdigkeiten, die erstmal weniger mit dem Mord zu tun haben, als vielmehr mit ihnen selbst und ihrer Herkunft und Erziehung, und jetzt fängt die Sache an, wirklich spannend zu werden….
Soviel zur Ausgangslage, und wenn ich jetzt schon schreibe, es wird spannend, das muss ich das noch mehrfach unterschreiben: das war wirklich clever geplottet und extrem spannend!
Die Geschwister – alle drei übrigens auf ihre Weise froh, dem übermächtigem, alles kontrollierenden Vater irgendwann mal zumindest räumlich entkommen zu sein – sind gezwungen, tief in ihre Kindheit einzutauchen und ihre biologische Herkunft aufzudecken. Und – kurzer Spoiler – sie entdecken, dass sie ihr ganzes Leben manipuliert wurden. Während die drei mehr oder weniger mit der Hilfe der lokalen Polizei mit den Mordermittlungen beschäftigt sind, spielt sich also im Hintergrund ein zweiter, extrem faszinierender psychologischer Plot ab, den ich fast noch interessanter fand als den Kriminalfall. Wie reagiert man, wenn man feststellt, dass vieles im Leben auf einer Lüge beruhte? Die drei Geschwister reagieren zumindest ganz und gar nicht so, wie ihr Vater es gerne gehabt hätte. (was mich als Leserin beruhigte: ich glaube gerne weiterhin daran, dass der Mensch einen freien Willen hat 😉!)
Ich war von dem Buch komplett gefesselt. Die Charaktere inklusive aller Nebendarsteller haben mich komplett überzeugt. Meine Favoriten war der mittlere des Linwood-Trios, Roger, der mit seiner Verlobten, der eher unscheinbaren, aber extrem intelligenten und smarten Iris, oftmals den richtigen Riecher bewies, und der sich allen Umständen zum Trotz seine Warmherzigkeit bewahrt hat. Aber wie gesagt, überzeugend und psychologisch interessant waren sie alle – auch die eher bizarren Gestalten wie Lady Linwood, die nur mit „Mother“ tituliert wurde.
Auch vom historischen Hintergrund hat alles gepasst. Die Atmosphäre war so Downton Abby- mässig, was ich sehr mochte, und man konnte in die Zeit richtig eintauchen. Im ländlichen England vor 100 Jahren waren wohl tatsächlich noch Reste der Feudalherrschaft zu spüren: die Herren von Linwood Hall haben jahrhundertelang die Geschicke der Gegend gelenkt, und die lokale Bevölkerung verehrt sie immer noch. Interessante sozio-historische Einblicke; fand ich als nicht-britische Leserin spannend, nur mal nebenbei bemerkt.
Ja, das Buch habe ich natürlich im englischen Original gelesen, und daher auch noch mal ein paar Worte zum Stil: Einerseits war ich so gefesselt, dass ich das Buch in ein paar Tagen durchgelesen hatte, aber für mich als Nicht-Muttersprachlerin war das dieses Mal eine etwas anspruchsvollere Lektüre. Der Autor schreibt flüssig, aber elegant und mit teils ungewohnt langen Sätzen. Ich mag das gerne, das fordert mich auch mal wieder etwas heraus, aber das ist keine Lektüre zum zackig-runterlesen, das Level ist schon etwas gehobener. Und ich hab auch teils mein Wörterbuch heranziehen müssen – hier plaudert die englische Oberklasse 😉.
Mein Fazit: das war richtig gut. Unerwartete Twists bis zum Ende. Immer ein hohes Spannungslevel. Ich empfehle das Buch unbedingt weiter, und bedanke mich bei Netgalley fürs Vorablesen!
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Zum Autor:
Christopher Huang grew up in Singapore, an only child in a family tree that expands dramatically sideways at his parents‘ generation. He moved to Canada after his National Service, studied architecture at McGill, and settled down in Montreal, apparently for good. His first novel, A Gentleman’s Murder, was named a 2018 Foreword INDIES Book of the Year and is in development for television. Cat’s Paw is his second novel.
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Das Verlagshaus Inkshares finde ich übrigens auch spannend, das ist kein Verlag wie jeder andere. Wikipedia sagt: „Inkshares is a publishing and literary rights-management platform founded in 2013. It is an open platform with a community of over 100,000 authors and readers. Authors post partial manuscripts which are sorted based on reader interest. Selected manuscripts are edited by Inkshares for publishing in North America, sale into foreign territories, and development in television and film.“
Ich glaube, sowas gibt es in Deutschland gar nicht, aber für angehende Autoren eine brilliante Idee auf dem Weg zur Veröffentlichung. –> Inkshares