von Naomi Wolf

 

Mit ihrem mehr als 400 Seiten starkem Werk „Vagina“ unternimmt die amerikanische Feministin und Schriftstellerin eine kulturhistorische Reise und Analyse der Vagina und der Weiblichkeit.

Unterteilt ist dieses Sachbuch in 4 Teile, beginnend mit Teil 1: „Hat die Vagina ein Bewusstsein?“, und was als Titel eher esoterisch angehaucht daher kommt, ist eine anatomische Betrachtung der weiblichen Beckennerven und der Beziehung zum vegetativen Nervensystem. Und man hat kaum angefangen zu lesen, und ist schon mit faszinierenden anatomischen Erkenntnissen konfrontiert. Die Autorin selbst hatte gesundheitliche Probleme und erfuhr nebenbei im Arztzimmer, dass jede Frau anders innerviert ist, „bei einigen Frauen verzweigen sich die Beckennerven mehr in die Vagina, bei anderen mehr in die Klitoris. Bei manchen wird hauptsächlich der Damm versorgt. (…) Das ist der Grund für die grossen Unterschiede in der weiblichen Erregbarkeit.“. Warum ist das eigentlich nicht allgemein bekannt? Das fragt sich Frau Wolf auch, denn bislang hiess es ja immer, es liegt wohl an der Frau selbst, wenn sie nicht vaginal / anal / klitoral erregbar ist, dass es schlicht an der individuellen und anatomisch erklärbaren Verzweigung ihrer Beckennerven liegt, ist eine spannende Erkenntnis.

Auch der Zusammenhang zwischen sexueller Erregung, Orgasmus und dem Gehirnstoffwechsel wird erklärt, und inwiefern die Kreativität und das Selbstvertrauen einer Frau damit in direkter Verbindung stehen. Absolut lesenswert!

Der zweite Teil des Buches : „Geschichte: Eroberung und Kontrolle“ ist ein Streifzug durch die Geschichte der letzten 1000 Jahre , und zu einem Gutteil geht es hier um ein trauriges Kapitel, die traumatisierten Vaginas – sprich, Vergewaltigungen, sexuelle Gewalt, und im speziellen um systematische Kriegs-Massen-vergewaltigungen. Das Thema liegtder Autorin  besonders am Herzen , und auch hier ist es faszienierend zu sehen, wie Verletzungen an der Vagina direkt auch das weibliche Gehirn innervieren und nicht nur Lebenslust und Kreativität auslöschen, sondern auch sehr viele andere unspezifische körperliche Probleme hervorrufen, Stichwort posttraumatische Belastungsstörungen.

Hier schlägt sich der Bogen auch zum 3. Teil, „Wer gibt der Vagina ihren Namen?“, in dem wir sehen, dass auch (Schimpf)-Worte dermassen negativ im Gehirn und im Nervensystem einer Frau nachhallen, dass sie im Endeffekt traumatische Folgen auch auf den Köper haben können.

Im 4. Teil, der „Göttinenmatrix“, geht es um die Heilung: wie kann radikale Lust, radikales Erwachen gelingen? Was erweckt die Göttin in mir? Wie sollte der Mann seine Frau behandeln, um orgiastische sexuelle Erlebnisse mit ihr zu haben, bzw. ihr diese zu schenken? Im Rahmen dieses Kapitels begleiten wir die Autorin auf Tantra-Workshops (super interessant), und auf einen Besuch zu einem Vaginalmassagen-Guru….hier geht’s dann allerding  „nur“ um theoretisches Wissen, denn das macht die Autorin dann live doch nicht mit, wir begleiten sie aber auf ihrer Recherche.

Mein Fazit: ich habe selten so ein interessantes, gut recherchiertes Buch zum Thema weibliche Sexualität gelesen. Es wird mit vielen Vorurteilen aufgeräumt, es werden spannenden medizinische Aspekte dargestellt, und aus jeder Seite strahlt positives Körperbewusstsein.

Das Buch ist eine brilliante Mischung aus Sachbuch, Kulturgeschichte, Anatomie, natürlich kommt auch eigene Erfahrung und Meinung der Autorin zum Tragen, und es ist so flüssig geschrieben, dass es sich zum grösstenteil wie ein Roman weg lesen lässt.

Ein Buch, das jede Frau gelesen haben sollte, um über ihren Körper und ihre Sexualität Bescheid zu wissen!    →  5 von 5 Punkten!!!

Vielleicht gefällt dir auch das: