von Katharina Vermette

erschienen 2019 im btb-Verlag

Dieses Buch habe ich gerade im Rahmen von @mariaslesekreis, meinem Instagram-Buchclub, gelesen. Das Buch wäre ansonsten an mir vorbei gegangen; ich kannte weder die Autorin, noch sagte mir der Titel was, noch fand ich das Cover irgendwie besonders ansprechend …. ABER: ich sag es vorweg, dieser Roman hat sich gelohnt, und auch wenn es streckenweise sperrig war, ich empfehle das Buch definitiv weiter.

Hierum geht es: Wir sind in der Nähe von Winnipeg in Kanada. Es ist Winter, es ist kalt, und vor Stellas Haustür findet ein Verbrechen statt: ein Mädchen wird vergewaltigt, mehrere Täter sind involviert, und Stella ruft die Polizei. Als diese endlich kommt, sind sowohl das Opfer als auch die Täter verschwunden, nur der blutige Tatort ist noch da. Die Polizei zweifelt das Vergewaltigungsszenario an, und Stella zweifelt schon an sich selbst. Hat sie eventuell doch „nur“ einen Gang-Krieg beobachtet?

Szenenwechsel: die 13jährige Emily wird von ihrem Stiefvater in die Notaufnahme des lokalen Krankenhauses gebracht, denn sie ist blutend zusammen zusammengebrochen. Ihre gleichaltrige Cousine Zig landed kurz darauf im selben Krankenhaus, sie ist zusammengeschlagen worden.

Was ist mit den beiden Mädels nur passiert? Nichts ist so, wie es erscheint, und die Polizei hat noch so einiges aufzuklären.

Was sich jetzt nach einem beliebigem Krimi anhört, ist viel mehr als das. Die beiden Cousinen sind Indigene, sprich, indianischer Abkunft, und sie wachsen auf in einem Gebiet, in dem Rassismus tägliches Brot ist, und Armut und Verzweiflung, Drogen und Sexismus herrschen. Und wir erfahren viel mehr als nur dieses Verbrechen, wir werden von der Autorin mitgenommen auf eine Reise durch Emilys, Zigs und Stellas Familiengeschichte. Es kommen die Tanten, die Mütter und Grossmütter zu Wort, und jede Protagonistin darf aus ihrer Sicht ihre Wahrheit erzählen. Das hat erzählerische Wucht und Intensität und eine ziemliche Sogkraft. Und alle Damen in der Familie haben so ihr ganz eigenes Päckchen zu tragen und ihre ganz eigenen Traumata zu verarbeiten.

De Autorin ist selbst kanadische Ureinwohnerin, und somit hat dieser Roman eine intensive Aussagekraft, eine intensive literarische Stimme. Die Protagonistinnen sind so echt für mich gewesen; so greifbar. Das war spannend.

Allerdings habe ich bei den vielen Personen eine Weile gebraucht, um klarzukommen, wer hier wer ist, und wie die Familienverhältnisse sind. Es gibt tatsächlich einen hilfreichen Stammbuch – aber erst auf der allerletzten Seite, und das war beim eBook ein bischen dämlich. Die einzelnen Protagonistinnen erzählen mal aus der Ich-Perspektive, mal wählt die Autorin aber auch die auktoriale Erzählform, mal erfahren wir was aus dem hier und jetzt, mal wird die Vergangenheit aufgerollt, und ja, das war ein wenig anstrengend, bis ich die Verhältnisse klar hatte. Ich habe auch ein bischen gebraucht, um zu checken, dass Paul der Spitzname von Pauline ist, und kein neuer Typ….

Egal. Die diversen Handlungsstränge kommen zu einem komplexen Ganzen zusammen; ergeben einen intensiven gesellschaftskritischen Roman / Krimi, der mir die Problematik der kanadischen indigenen Bevölkerungsgruppe nahe gebracht hat, und ich bin sehr froh, diesen Roman gelesen zu haben.

Mehr zur Autorin gibt es hier !

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