von Tabea König

 

Spannung im viktorianischem England

Schottland, 1876: eine unbekannte Schöne wird halbtot und unter Amnesie leidend auf den Strassen Glasgows gefunden und findet Obdach im örtlichen Bordell, wo sie ein halbes Jahr später ein Mädchen, Emily, auf die Welt bringt. Emily wächst im Hurenhaus auf, die Bewohnerinnen dort sind ihre Familie, aber sie selbst strebt nach einem Leben ausserhalb der Mauern des Bordells, sie möchte ein respektables Mitglied der Gesellschaft werden. Bevor ihre ersten zaghafen Pläne aber umgesetzt werden können, geht das Hurenhaus in Flammen auf, und nur durch viel Glück entkommt Emily dem Desaster.

Mit viel Tatkraft und Willen schafft sie es dennoch, als Dienstmädchen und Zofe in einem angesehenem Haus zu arbeiten, aber dunkle Geheimnisse aus der Vergangenheit holen sie immer wieder ein, Geheimnisse, die bis weit vor ihrer Geburt reichen, und Emily zur Zielscheibe eines Mörders werden lassen.

Mit der Hurentochter ist Tabea Koenig ein wunderbarer und gut recherchierter historischer Roman gelungen, der eigentlich schon ein Genre-Mix ist: Abenteuergeschichte, Entwicklungsroman, sozialkritische Studie, plus ein spannender und ungewöhnlicher Krimi, der in einem spektakulärem Gerichtsverfahren endet. Auf über 400 Seiten ist alles dabei, und von der ersten bis zur letzten Seite herrscht Action . Mit immer wieder neuen Entwicklungen und Schauplätzen ist der Spannungsbogen kontinuierlich hoch, und die Personen sind lebensnah und detailliert beschrieben.

Generell finde ich das viktorianische Zeitalter extrem interessant und vielschichtig, und man fühlt sich beim Lesen direkt in diese Ära versetzt. Der Grossteil der Geschichte spielt in den 1890er Jahren, kurz vor der Jahrhundertwende, man ist immer noch völlig gefangen in Standesdünkel und gesellschaftlichen Konventionen, und ich fand es sehr spannend, zu lesen, wie Emily genau gegen diese Konventionen immer wieder anrennt und es doch schafft, ihr eigenes Leben zu leben und ihr Glück nicht aus den Augen zu verlieren. Ja, es gab immer wieder mutige Frauen, und dieser Mut macht Emily für mich zu einer Heldin ihrer Zeit.

Flüssig geschrieben, sehr abwechselungsreich, immer glaubwürdig: ich war wunderbar unterhalten!

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