von Camilla Grebe

erschienen März 2023 bei btb

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Erneut ein Buch, bei dem ich es nicht wusste, dass es sich um Band 3 einer Serie handelt, aber gleich vorab: das ist hier völlig egal, man muss die Vorgängerbände nicht kennen, um hier einzusteigen, der Fall ist in sich abgeschlossen, und es gibt nicht allzu viele Referenz auf die ersten Bände. Und die, die es gibt, kriegt man erklärt. Und by the way, die genannte Profilerin hat hier keine wirklich tragende Rolle und taucht erst in der zweiten Hälfte des Buches überhaupt auf. Also: nicht abschrecken lassen!

Hierum geht es: Wir sind in Schweden. Manfred, Kriminalist, Ü50, genießt das späte Glück der zweiten Familie. Mit Afsaneh, um einiges jünger als er, hat er noch eine jetzt 2jährige Tochter Nadja. Nadja kränkelt gerade, Manfred passt auf sie auf – und nur ein Moment der Unachtsamkeit, und Nadja fällt aus dem dritten Stock auf die Straße……fulminanter Einstieg ins Geschehen, ich war schon nach ein paar wenigen Seiten schockiert und gepackt.

Szenenwechsel: der 18jährige Samuel baut Mist. Permanent und immer wieder. Seine Mama Pernilla, tiefgläubig, ist völlig überfordert und will doch nur das Beste für ihn. Dieses Mal hat Samuel den Bogen aber überspannt und muss vor den lokalen Drogenbossen fliehen. Unterschlupf findet er dann auf einer Schäreninsel in der Nähe von Stockholm mit einem neuen Job, der ihm Kost und Logis bietet. Samuel heuert bei Rakel als Pflegekraft für einen schwerkranken Jugendlichen an….und hat vom ersten Moment an das Gefühl, das irgendwas in diesem Arrangement nicht ganz richtig ist…..

Noch ein Szenenwechsel: Alle paar Tage lang werden Leichen in den Schären angespült, und Manfred und sein Team ermitteln. Es ist klar, die Fälle gehören zusammen – nur wie?

Geschrieben ist der Roman immer abwechselnd aus der Ich-Perspektive der diversen handelnden Personen. Die Kapitel haben denn auch keine besonderen Überschriften mehr, sondern tragen nur noch die Namen der Charaktere: Pernilla, Manfred, Samuel, und am Ende kommt auch noch mal Rakel zu Wort. Wir sind also immer ganz nah an den Protagonisten und ihren Gefühlen dran. Und das ist echt ein cooler erzählerischer Kniff. Manfred ist zerrissen zwischen seinem Einsatz bei den Ermittlungen, die ihn vollauf fordern, und doch ist er mit seinen Gedanken meist im Krankenhaus bei Nadja und Afsaneh. Samuel hat ganz andere Probleme, und will doch eigentlich nur ein junger Mann sein, auf den seine Mama stolz sein kann. Und Pernilla, die viel zu früh ihren Sohn bekommen hat, sich für Samuel den A***** aufgerissen hat, taucht nicht nur zum ersten Mal wirklich in dessen Welt ein, sondern entdeckt auch, dass sie viele falsche Freunde und Ratgeber hatte und befreit sich davon. 

Wir haben hier also abgesehen von dem Fall (und ja, natürlich hängt alles miteinander zusammen, sehr clever geplottet und miteinander verwoben) auch noch diverse Nebenschauplätze und -stories, und das hat mit ausnehmend gut gefallen. Starke, vielschichtige Charaktere, ein ungewöhnlicher Fall, flüssig geschrieben, ein jederzeit hohes Spannungslevel: für mich hat hier alles gepasst. Ein klassischer page-turner. Plus ein paar philosophische Gedanken, was gerade in unserer Gesellschaft alles etwas verquer läuft. Freundlicherweise sehe ich das genauso 😉; kleines Zitat von Kommissar Lasse, der eine junge Kollegin runterputzt: „Zum Teufel! Ich weiß ja nicht, was an der Polizeihochschule derzeit durchgenommen wird. Gendertheorien? Diversitätspolitik? Ethnische Prinzipien? Aber egal. Ein bisschen gesunder Menschenverstand könnte nicht schaden.“ (S. 430).

Vielleicht auch noch mal ein paar Worte zur Profilerin Hanne, die irgendwann dazu gezogen wird. Das war nämlich auch noch mal sehr interessant. Das ist die Lady, die einige vielleicht aus den ersten beiden Teilen der Serie kennen; hochintelligent, aber leider nicht mehr aktiv im Dienst, denn sie ist dement. Sprich, ihr Kurzzeitgedächtnis geht langsam aber sicher verloren. Das fand ich sehr interessant. Aber auch, wenn Hanne sich heute nicht mehr an das erinnert, was letzte Woche war, kann sie doch immer noch sehr gut kombinieren und sich in Menschen hineindenken, und ein paar entscheidende Hinweise zur Lösung des Falles liefern. So eine Protagonistin ist mir in einem Krimi noch nie begegnet, das hat mir gefallen.

Okay, alles in allem:  bitte lesen! Ich bin durch die Seiten geflogen 😊. Große Empfehlung meinerseits, und vielen Dank an das Bloggerportal vom Randomhouse für das Rezensionsexemplar!

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