von Marie-Sabine Roger

Neuerscheinung 2020 bei Hoffmann und Campe

Der Klappentext verrät, es geht um „eine unverhoffte Freundschaft, die alles verändert“. Das Buch wurde auf Instagram hochgelobt, und ich habe es gewonnen – also war ich gespannt.

Die unverhoffte Freundschaft entwickelt sich zwischen den beiden Hauptfiguren Harmonie und Fleur. Schauplatz: eine Stadt irgendwo im zeitgenössischen Frankreich. Die Hauptfiguren: 2 Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Harmonie, Ende 20, leidet unter dem Tourette-Syndrom. Und zwar nicht nur ein bisschen, sondern mit aller Macht. Sie hat viele Tics, viele nervöse Zuckungen, ihre Arme entwickeln ein Eigenleben, und zwar je schlimmer und schlagkräftiger, je aufgeregter Harmonie ist. Von den unflätigen Schimpfwortattacken, die ihrem Mund ungewollt entweichen, und dem bellenden Lauten, Wu Ha Ha, ganz zu schweigen. So wundert es nicht, dass sie keinen Job lange behält und im Grunde ihres Herzens unglücklich ist. Und dann ist da Fleur, 76 Jahre alt, dick, soziophob, agoraphob, eine ältliche Frau, die Angst vor ihrem eigenen Schatten hat, ihre Wohnung nur in äussersten Notfällen verlässt, und ausser ihrem Mops Mylord und ihren Psychiater keine Kontakte hat. Die Namen der beiden passen so gar nicht zu ihnen – „unsere Eltern waren Visionäre“, wie Harmonie lakonisch bemerkt. Ausgerechnet diese beiden prallen aufeinander, als Harmonie sich bei Fleur als Haushaltshilfe vorstellt – und mit ihrem „Tabourette“ dieselbe gleich beim ersten Kennenlernen dermassen verschreckt, dass sie die Tür vor der Nase wieder zugeschlagen bekommt….mit ihrem Arm unglücklicherweise noch dazwischen. Doch dieser Armbruch erweist sich als Glückstreffer, denn er ist der Grund, dass sich die beiden Frauen näher kennenlernen. Und sich das Leben der beiden von Grund auf ändert, bis „ihnen das Glück übers ganze Gesicht lacht“ (nochmal Klappentext)

Geschrieben ist der zauberhafte Roman abwechselnd aus der Sicht von Harmonie und Fleur – die eine, Fleur, schreibt auf Anraten ihres Seelendoktors Tagebuch, die andere erzählt frei von der Leber weg, Wu Hu Ha Ha, und die Autorin schafft es, jeder Protagonistin ihren eigenen Erzählstil zu verleihen, der so unwiderstehlich charmant den Charakter und die Macken der jeweiligen Protagonistin einfängt.

Schwierige Themen wir Tourette, Alter, Einsamkeit, Minderwertigkeitskomplexe, soziale Ängste aller Art werden in diesem Buch mit leichter Feder behandelt. Das bedeutet nicht, dass sie oberflächlich abgehandelt werden, ganz und gar nicht, die Probleme, die beschrieben werden, sind tief und ernst, aber immer schwebt Humor mit, und den verlieren die Personen im Roman nie.

Spannend fand ich vor allem Harmonie und ihr Tourette Syndrom, eine Krankheit, die ich zwar kannte, aber mit der ich mich noch nie auseinandergesetzt habe, und ich denke, ich habe ein bisschen mehr darüber gelernt.

Zurück aber zum Humor: man glaubt es nicht, aber dieses Buch ist echt komisch. Es gab diverse Stellen, da habe ich laut gelacht. Über Seiten hinweg. Wenn Fleur (Achtung, Spoiler!), die vor lauter Komplexen nicht weiss wohin mit sich, beschreibt, wie sie mit Harmonie in ein Varieté geht, und dort alkoholbeschwingt auf der Bühne singt und tanzt, und den Abend dann in ihrem Tagebuch reflektiert, da hab ich mich fast weg geschmissen vor Lachen. Diese Selbstironie, diese Situationskomik, dieser Witz, absolut köstlich.

Ein tolles Buch über die wahren Werte im Leben, über Freundschaft, Selbstachtung, und darüber, dass man nicht das ist, was man optisch nach Aussen ausstrahlt. Ein Buch über die inneren Werte. Ohne zu beschönigen, das dass reale Leben hart sein kann. Aber mit Humor und Freunden ist alles machbar!

Ich empfehle das Buch uneingeschränkt weiter!

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