von Christoph Poschenrieder

Neuerscheinung 2019 aus dem Diogenes Verlag

Wer hat Schuld am 1. Weltkrieg? 1918 wird diese Frage fürs deutsche Auswärtige Amt recht dringend, denn man möchte in Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen  ungern als Schuldiger für die Kriegsmisere gehen. Die Propagandaabteilung, ehemals auch bekannt als „literarisches Büro“,    unterbreitet dem Bestsellerautor Meyrink daher ein Angebot: er soll einen Roman schreiben, der die Schuld am Krieg den Freimaurern in die Schuhe schiebt. Meyrink, seines Zeichen nicht nur Schriftsteller, sondern auch gescheiterter Bankier, Okkultist, ehemaliger Alchemist und  passionierter Yogi, ist misstrauisch, aber der Roman soll gut bezahlt werden, also nimmt er den Auftrag an. Das Haus am Starnberger See, das Automobil und das Boot wollen bezahlt sein, und ansonsten läufts mit der Schriftstellerei gerade nicht so wirklich gut, also schnappt er sich den Vorschuss – und rennt in die Falle. Denn der ausgewiesene Nicht-Patriot findet sich in einer ernsten Schreibblockade wieder, und je mehr sich der Krieg dem Ende nähert, desto dringender möchte das Auswärtige Amt den Roman nun endlich auch erhalten.

Was sich wie eine skurrile Romanidee anhört, ist tatsächlich so passiert: Den Autor Gustav Meyrink und seine Frau Mena gab es tatsächlich genauso wie beschrieben, und auch die anderen Protagonisten  – von Hahn aus dem AA, Meyrinks politische Freunde aus München Kurt Eisner und Erich Mühsam – sind, bzw waren reale Personen. Und selbst den bizarren Auftrag des „Freimaurerromans“ hat Poschenrieder nicht erfunden – nur hat den im Endeffekt dann doch Friedrich Wichtl geschrieben („Weltfreimaurerei Weltrevolution Weltrepublik“, 1919 – falls es jemand interessiert).

Poschenrieder vermischt geschickt Fiktion und Fakten, und in den Roman eingestreut sind immer wieder Recherchenotizen, Abschriften aus Nachlässen, persönlicher Korrespondenzen Meyrinks oder Aktennotizen aus dem Auswärtigem Amt. Hier habe ich teilweise überlegt, ob diese Recherchenotizen tatsächlich alle Fakten sind, oder auch Fiktion, ich habe mich dann für Fakten entschieden, es erschien mir sehr glaubhaft.

Ebenfalls in die Rahmenhandlung eingestreut ist die politische Lage im Lande, speziell in Bayern, und auch die Novemberrevolution 1918 wird erörtert.

Der Roman selbst ist abwechselnd aus Meyrinks Perspektive in der Ich-Form geschrieben, und dann auch wieder aus der personalen Erzählsituation, und immer überzeugt Poschenrieder mit einem geschliffenen, eloquentem, wort- und bildgewaltigem Erzählstil.

Diese vielen verschiedenen Elemente – Rahmenhandlung, Politik, Biographie Meyrinks, Recherchenotizen etc, im Mix mit den verschiedenen Erzählperspektiven machen den Roman zwar sehr abwechslungsreich, aber für mich war es manchmal „too much“, es war ein bisschen hin-und-hergehüpfe, und meine Aufmerksamkeit musste ich öfters wieder einfangen. Nicht gut beim Lesen eines Romans. Ich hab mich immer gefreut, wenn wir wieder beim eigentlichen Thema waren.

Mein Fazit: Einerseits eine Freude, hier mal einen Autor zu lesen, der locker und zugleich hervorragend schreiben kann, und mit was für einer ungewöhnlichen und spannenden Geschichte!, andererseits waren mir zuviele verschiedene Dinge hier in 270 Seiten hineingepresst. Daher vergebe ich „nur“ 4 von 5 Punkten.

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