von Heidi Hetzer

2020 im Heyne Verlag als Taschenbuch erschienen, 2018 by Ludwig Verlag, München

Untertitel: Wie ich mit 77 Jahren die Freiheit suchte und einfach losfuhr

Der Klappentext verrät: „Eine abenteuerlustige alte Dame, ein launischer Oldtimer und ein wahr gewordener Traum“ – und mehr brauchte es nicht, die Story wollte ich lesen! Die Reise der 77jährigen Heidi, die sich 2014 aufmachte, um mit ihrem Hudson Baujahr 1930 die Welt zu umrunden, musste ich kennenlernen. Während ihrer knapp 3 Jahre dauernden Tour um den Globus führte Heidi einen Blog : https://heidi-um-die-welt.com/ , und schon während der Reise wurde sie online von vielen Freunden und followern begleitet. Nachdem sie wieder zuhause war, hat sie ihre Erlebnisse gemeinsam mit dem freien Autor Marc Bielefeld in Buchform festgehalten. Ich habe jetzt in den Blog bislang nur kurz reingeschaut, aber er ist wie das Buch: lebhaft, persönlich, voller Bilder und sprühend vor Abenteuer- und Lebenslust.

Kurz zu Heidi, die Dame ist nämlich keine Unbekannte, sie stammt aus Berlin; hat dort jahrzehntelang das Autohaus Opel Hetzer geführt, und da sie schon seit frühester Kindheit Benzin im Blut hat, ist sie auch als Rallye-Fahrerin bekannt. Sie fuhr diverse international bekannte Rennen, was heisst fuhr, sie hat sie auch öfters gewonnen, und machte sich so einen Namen.

Heidi Hetzer hat einen ungewöhnlichen Lebenslauf vorzuweisen. Sie machte eine Kfz-Lehre, eröffnete eine eigene kleine Autovermietung, fuhr Motorradrennen und Auto-Rallyes, und war Chefin eines Autohauses – sie stand sozusagen ihren Mann (und ich mag als Feministin diesen Ausdruck eigentlich gar nicht) zu Zeiten, wo Frauen kommentarlos am Herd standen und Kinder aufzogen. Die Kinder, 2 Stück, hat sie übrigens nebenbei auch grossgezogen. Eine Powerfrau also!

Aber zurück zum Buch. Auf 368 Seiten plus Bildteil in der Mitte erzählt Heidi von der Weltreise und aus ihrem Leben. Das Buch ist ein Mix aus Autobiografie und Reisebericht, und liest sich so, wie man sich vorstellt, dass Heidi mit einem am Tisch sitzt und erzählt. Sehr lebendig, sehr mitreissend, teils auch nachdenklich und philosophisch, aber immer ehrlich und menschlich.

Von Berlin aus starten Heidi und ihr Hudson namens Hudo nach Osten, nehmen den Landweg über die Türkey und Kleinasien nach China und weiter nach Thailand und Laos. Per Containerschiff geht’s weiter nach Australien und Neuseeland, und weiter per Schiff nach Nordamerika. Wir begleiten Heidi und Hudo quer durch die USA und Kanada, durch Südamerika, und durch Südafrika, Botswana und Namibia, bevor es dann wieder – per Schiff natürlich – nach Europa zurück geht und von Portugal aus kommend das Gespann Berlin von Westen aus wieder anpeilt. Die Karten im  Klappeninnenteil zeichnen den Weg und die Verkehrsmittel nach.

Nicht alles ist immer heiter Sonnenschein, der alte Hudson macht mehr als einmal schlapp, und wie Heidi öfters sagt, sie schraubt sich mit Hudo einmal um die Welt, aber Pannen und Probleme gehören auf einer Abenteuerreise dazu. Dafür gibt es so viel mehr an schönen Dingen zu gewinnen: wunderbare Erlebnisse, neue Freundschaften, phantastische Landschaften, interessante kulturelle Eindrücke – Heidis Bericht ist so lebensfreudig und neugierig machend auf die Welt, ich fand es total spannend, literarisch dabei zu sein!

Es handelt sich hierbei natürlich um eine „special interest“-Reisegeschichte, das ist wahrlich kein Pauschalurlaub, und Heidi lässt sich auf das Ungewisse ein, planbar ist mit einem Oldtimer nicht viel. Ich fand aber gerade dies sehr inspirierend. Sich immer wieder neu aufs Leben einlassend und nie aufgeben, das lebt die Dame grandios vor.

Interessant fand ich auch, dass die Weltreise per Automobil von Clärenore Stinnes inspiriert war. Frau Stinnes ist Heidis persönliches Idol, und auf sie nimmt Heidi oft Bezug. Clärenore wurde 1901 geboren, also noch weit mehr zu „prä-emazipatorischen Zeiten“, und auch diese Dame fuhr Rallyes und hat eine von der damaligen Presse schon bejubelte Reise um die Welt angetreten. Schon 1931 gab‘s darüber einen Dokumentarfilm („Im Auto durch zwei Welten“), und ursprünglich wollte Heidi die historische Stinnes-Reise nachfahren. Von diesem Plan ist sie zwar abgekommen, aber einige Strecken der beiden Damen sind identisch. Also: alles ist möglich!

Wer aussergewöhnliche Roadtrips liebt, auf Abenteuerreisen steht und eine Vorliebe für starke Frauen hat: das Buch müsst ihr lesen! Unbedingt!

Ich bedanke mich bei dem Bloggerportal vom Randomhouse für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares!

Nachsatz: Heidi Hetzer verstarb überraschend 2019 im Alter von 81 Jahren in ihrer Heimatstadt Berlin.

Vielleicht gefällt dir auch das: