von Michael Römling

erschienen 2024 bei Rowohlt

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Der langersehnte 4. Teil der historischen Abenteuerserie um Tankred, Kämpfer, Held, ehemaliger Mönch und aktuell Graf im ostfränkischem Reich im ausgehendem 9. Jahrhundert geht weiter. Ich hab die ersten Teile echt gefeiert und fand sie super spannend, und habe mich daher auf diesen Teil sehr gefreut.

Und ich sag es jetzt gleich – die ersten Bände haben mich bei weitem besser unterhalten als dieser hier, wie schade.

Mit 460 Seiten ist dieser Teil hier in etwa so umfangreich wie seine Vorgänger; und wir steigen als Leser so ziemlich dort ein, wo der letzte Band aufgehört hat. Und wir werden auch gleich wieder direkt ins Geschehen hineingeworfen; Tankred ist wieder in Kämpfe und Späher-Missionen mit seinen alten Kriegskameraden und Freunden unterwegs; und man ist wieder direkt mittendrin dabei als Leser. Das Buch beginnt auf jeden Fall vielversprechend.

Und damit bin ich dann eigentlich auch schon bei den Dingen, die der Autor definitiv drauf hat und mit denen er begeistert und punktet: ein flotter Schreibstil aus Tankreds Ich-Perspektive heraus, viel Witz und Humor, sehr viele authentische und coole Dialoge, historische Genauigkeit (der Autor ist promovierter Historiker), interessante und glaubwürdige Protagonisten. Der Roman liest sich erwartungsgemäß echt gut weg,

Was für mich dieses Mal nicht so gut funktioniert hat: wie der Klappentext schon ankündigt, geht es hier um eine Verschwörung, die Tankred und seine Mannen aufdecken. Wir sind wie gesagt im Jahre 884, die Bedrohung für das komplette spätere europäische Festland kommt von oben aus dem Norden: die Dänen lagern vor Ostfriesland und kämpfen um Macht, Besitz und Beute, und im ost- und Westfränkischem Reich besteht traditionell keine Einigkeit um die Herrschaft. Gegen Kaiser Karl III. verschwören sich diverse Rädelsführer gemeinsam mit dem dänischen Usurpator Gottfried, und Tankred als Getreuer des Kaisers steckt sozusagen mittendrin und agiert teils als „Doppelagent“, um die Machenschaften aufzudecken…….und ich muss gestehen, ich habe hier irgendwann den Überblick verloren, wer mit wen und wieso unter einer Decke steckt, und welche kriegstechnischen Überlegungen jetzt schon wieder angestellt werden müssen, um – wenn man drei mal um die Ecke denkt – seine Gegenspieler auszuschalten. Bin ich zu blöd oder der Autor zu schlau? Ich bin auf jeden Fall irgendwann nicht mehr so recht mitgekommen, und das hat mir das Lesevergnügen etwas getrübt. Ich war immer wieder mittendrin dabei, wenn es um Tankreds Privatleben ging, oder wenn er einfach mit seinen Mannen on Tour war, aber mich hat die Story regelmäßig auch wieder verloren, wenn mal wieder seitenlange taktische Überlegungen ausdiskutiert wurden. Ich bin auch mit den Namen der historischen Persönlichkeiten ein wenig Durcheinander gekommen. Das 9. Jahrhundert – ok, die paar Jahrhunderte davor und danach auch – sind nicht unbedingt die Zeit, in der ich mich gut auskenne, und daher hab ich schlicht öfters mal den Überblick verloren. In der Klappeninnenseite ist zumindest eine Übersichtskarte mit Tankreds Reisen abgebildet, das war durchaus hilfreich, aber so generell, ich wiederhole mich, war ich über weite Strecken etwas „lost“.

Im Vergleich zu den ersten Bänden der Serie hat sich der Autor mMn aber hier auch echt theoretisch ausgetobt – die Protagonisten diskutieren ellenlang ihre Kriegs- und Verschwörungstaktiken, und das war mir dann zu viel.

Okay, was ich aber wiederum echt witzig fand: es gab einen Schwung eingebauter Anachronismen, bei denen ich echt grinsen musste, so etwa, wenn Heinrich an seinem Hofe Lupus und Tankred ein neues Gebräu serviert: „Ich nippte. Der Geschmack war ungewohnt. Eine Art Gewürzwein, aber sehr süß und mit starken Noten von Nelken und Zimt. (….) „Ich nenne es Traubenlava“ sagte Heinrich stolz. „Klingt doch poetisch, oder?“ (…) Lupus stöhnte auf. „Warum nennt ihr das Zeug nicht einfach Glühwein? Dann kapieren das nämlich auch Leute, die nicht den ganzen Tag Lexikons lesen?“ S. 240. Tja, wo er recht hat 😉

Oder auf S. 190, eigentlich noch besser, mein favourite: „Rimbert zeigte mit den Daumen hinter sich. „Hast du den Tisch und den Hocker gesehen? Die habe ich in Birka bei einem Tischler gekauft.“(…) „Man kann sie leicht auseinanderbauen und wieder zusammen setzen. Dieser Tischler hat mir gezeigt, wie das geht. Ein paar Handgriffe nur, ganz ohne Werkzeug, ideal für die Reise. Die haben da oben riesige Wälder, von Holz verstehen sie was (…),die könnten ein Vermögen machen, wenn sie das in die ganze Welt verkaufen würden, die Käufer bauen es selbst zusammen.“ – ja, alter Schwede, die hatten es schon früher drauf möbeltechnisch ;-)))

Ja, mein Fazit: eigentlich eine coole Geschichte, die mich aber leider ob der vielen VTs etwas verloren hat, und damit war das für mich kein so wirklich gelungener Band. Ich bin ja Fan, ich vergebe trotzdem 3,5 von 5 Sternen, aber wer Tankred nicht nicht kennt, sollte bloß nicht hiermit beginnen.

Herzlichen Dank an den Rowohltverlag für das Rezensionsexemplar!

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