von Jessica Durlacher

erschienen Mai 22 zuerst bei Diogenes, meine Lizenzausgabe aus dem Hause Büchergilde Gutenberg Herbst 22

Link zum Buch

Klappentext: „Eine Somalierin wird Nanny in Zeldas Familie und entpuppt sich als phänomenale Sängerin. Ihr Name ist Amal. Zelda meldet sie bei der Talentshow ›Die Stimme‹ an. Nach einem glanzvollen Auftritt nimmt Amal vor laufender Kamera ihr Kopftuch ab. Dieser Akt der Befreiung hat Folgen. Zeldas Familie will Amal beschützen und gerät damit in einen Konflikt, der ihre Welt aus den Angeln hebt.“

Ich hatte das Buch in meiner Überraschungs-Buchabo-Box der Büchergilde gehabt, und ich fand spontan: das klingt gut. Vom Cover her hätte ich wohl eher weniger zu dem Buch gegriffen (weder das Original noch die Lizenzausgabe finde ich optisch wirklich gut).

Okay, etwas ausführlicher zum Inhalt: Zelda Wagschal, Tochter jüdischer Holocaust-Überlebender, ist die Ich-Erzählerin. Sie erzählt aus ihrer Erinnerung heraus von Ereignissen, die ihr Leben entscheidend geprägt haben, und im Fokus steht hierbei immer wieder die Zeit, in der sie Amal, eine Flüchtlingsfrau aus Somalia, bei sich als Kindermädchen aufgenommen haben. Wobei aufgenommen jetzt auch nicht wirklich stimmt; Amal hat im lokalen Amsterdamer Flüchtlingsheim gewohnt und kam stundenweise bei der Familie vorbei, um sich hauptsächlich mit den beiden kleineren Kindern, Sam und Pol, zu befassen. Sam ist das musikalische Wunderkind, und mit seinen etwa 8 Jahren ein virtuoser Pianist. Amal, das stimmliche Ausnahmetalent, und er finden sich in der Musik zusammen.

Ja, und dann meldet Zelda Amal bei der Castingshow „Die Stimme“ an (ich nehme an, wir reden von der niederländischen Version von „The Voice“ – wir kriegen hier nebenbei ganz interessante Einblicke in den Ablauf dieser medial aufgebauschten TV-Gesangsshows), und Amal nutzt die Show, um sich zu befreien – vom Kopftuch, vom religiösen Zwang, von allem, was auf ihr lastet. Das hat Folgen. Amal wird zur Befreiungsikone hochstilisiert, und löst eine Fatwa aus. Damit müssen jetzt auch Zelda und ihre Familie klarkommen….

Mein Leseeindruck: Ich bin hier ein wenig zwiegespalten. Einerseits finde ich die Thematik spannend. Eine muslimische Frau, die sich befreit; das mediale Spektakel, das damit einhergeht, die Dinge, die angestoßen werden, und die – einmal losgelassen – niemand mehr unter Kontrolle hat; das fand ich interessant. Zelda und ihre Familie haben auch ansonsten nicht unbedingt ein ruhiges Leben gehabt; gleich zu Beginn des Buches sind wir mit den Wagschals in New York, als Zelda und Bor heiraten – just am 9. September, und kaum getraut, stürzen die Zwillingstürme ein….das Buch hat schon Action und immer wieder ein hohes Spannungslevel. Andererseits hatte ich das literarische Luxusproblem, dass mit Zelda nicht unbedingt sympathisch war. Sie seziert alles und jedes, und hat nicht unbedingt eine positive Grundeinstellung zum Leben. Irgendwie passt ihr unterschwellig nix. Vielleicht ist das eine Grundproblematik von den Nachfahren von Holocaust-Überlebenden, aber wie man es dreht und wendet, ein sonniges Gemüt kann man Zelda nicht nachsagen, und das fand ich etwas anstrengend.

Im Buch wird viel sinniert und diskutiert über Religion und Tradition, das waren interessante Einblicke, vor allem, weil weder Amal noch die Wagschals ihrer Religion tatsächlich anhängen, aber unterschwellig war mir das oftmals zu negativ angemalt.

Es geht übrigens in den knapp 500 Seiten nicht nur um Amal und die Castingshow – das hätte ich nach dem Klappentext erwartet – sondern Zelda tastet sich da langsam heran. Das Amal der Dreh- und Angelpunkt in ihrem leben ist, wird relativ schnell klar, aber Amal selbst taucht erst nach einer ganzen Weile im Leben der Wagschals auf.

Ja, wie auch immer. Ich fand das Buch war flüssig geschrieben, man kann es sehr gut weglesen, ist trotzdem literarisch anspruchsvoll, die Thematik war, ich wiederhole mich, spannend, aber ich konnte mich mit den Protagonisten nicht wirklich identifizieren. Dadurch, dass Zelda eher negativ gepolt ist, kommen ihre Beschreibungen zu den anderen Leuten natürlich auch nicht locker-flockig-humorig rüber, da ist einfach zu viel Schwere im Gemüt, und das macht es streckenweise etwas anstrengend. Finde ich.

Trotzdem eine empfehlenswerte Lektüre, wenn auch mit leichten Abstrichen.

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