von André Hülsbömer

erschienen im Gmeiner-Verlag; 2025. Edition (12. Februar 2025)

Link zum Buch

Da ich historische Romane liebe, zufällig aus der Gegend komme, oder zumindest aus der Nähe, in der der Roman spielt, und der Klappentext gut klang, habe ich hier zugegriffen. Und hey, das Cover ist toll, stimmungsvolle Winterlandschaft, tolles Bild!

Wir sind im Jahre 1670, im Winter, das Wetter ist dauerschlecht mit Kälte und Regen, und in den Niddaauen ist nur Schlamm und schlechtes Vorankommen. Ich hatte schon auf Seite 1 das Gefühl, direkt dabei zu sein – 350 Jahre später ist es dort bei anhaltendem schlechtem Wetter haargenauso ungemütlich 🙂 . Hauptschauplatz des Geschehens ist der kleine Ort Dauernheim, ganz grob in der heutigen Wetterau bei Friedberg. Den dortigen Auenlandhof bewohnt und bewirtschaftet der Bauer Johannis Edler mit seiner Familie (und dort wohnt auch heute der Autor – er weiß also, wovon er schreibt 🙂 ). Die Edlers sind Leibeigene, auch wenn sie einen eigenen Nachnamen pflegen; und die Geschichte wird zwar aus einer auktorialen Perspektive erzählt, aber wir sind über große Strecken ganz dicht bei Johannis und in seinem Denken dabei.

Und jetzt muss ich gerade mal überlegen, was es zur Handlung zu sagen gibt, denn tatsächlich ist der Roman knappe 500 Seiten lang, aber so wahnsinnig viel passiert eigentlich nicht. Die Zeiten sind nach dem 30jährigem Krieg hart, wenn nicht übel („finstere Zeiten“ sagt auch gleich das Cover), und zwar für alle, Bauern, Handwerker, Klerus und Adel leiden gleichzeitig unter Verarmung und Missernten, aber natürlich sitzt der Adel am längeren Hebel und beutet das Volk unerbittlich aus. Und wenn dann noch ein korrupter Ortsvorsteher seine eigenen Säckel noch füllt, wird es prekär für die Bevölkerung….

Der Autor, bzw. durch ihn Jannis Edler, schildert uns diese Lage sehr ausführlich und sehr bildhaft. Und natürlich wird die Schilderung sehr lebendig allein dadurch, dass viel Lokalkolorit hier erscheint – logisch, Herr Hülsbömer ist nicht nur „local“, sondern auch Historiker, und kennt sich aus. Das macht auch einen Großteil des Charmes dieses Buches aus, finde ich. Es werden auch viele alte hessische Begriffe verwendet, für die es ein recht ausführliches Glossar am Ende des Buches gibt.

Von der tatsächlichen Handlung her ist der Roman nicht sooo ergiebig; die oberhessischen Landesherren zu Darmstadt brauchen Geld (denn hey – Jagen und Gesellschaftsleben sind teuer, vor allem mit einer Gattin, die gerne Hof hält), das Eintreiben desselben übernehmen am Ende des Tages die lokalen Schultheiße, und in Dauernheim ist das ein ziemlich übler Kerl namens Dieffenbach, der nebenbei seine Gattin terrorisiert. Kleiner Spoiler: toxische Beziehungen und häusliche Gewalt sahen damals genauso sch**** aus wie heute. Spannender Nebenstrang übrigens, die Dieffenbacher Ehegeschichte. Und nun muss ich mal Bezug auf den Klappentext nehmen, ich dachte nämlich, jetzt kommt hier ein Knaller, wenn der Dieffenbacher mit Edler Junior aneinandergerät, aber leider ist dem dann doch nicht so – hier weckt der Klappentext (zumindest bei mir) Erwartungen an Action und Abenteuerszenen, die dann doch nicht kommen. Ich fand den Erstgeborenen nicht wirklich leidenschaftlich, und irgendwas in die Hand genommen, das auch Folgen hat, nun, das war auch nicht der Fall. Ich mag das nicht so wirklich, wenn der Klappentext bei mir falsche Erwartungen weckt, deshalb erwähne ich das hier.

Allerdings: ich fand den Roman nichtsdestotrotz extrem gut und spannend. Er war durchaus speziell, Hülsbömers Stil ist eigen; man kann das Buch jetzt nicht page-turner.mässig durchsuchten, er schreibt mit Stil, mit Gefühl für die Zeit, mit einer gewissen beschreibenden Langsamkeit (und das meine ich positiv), und mit wenig Dialogen. Dialoge treiben eine Handlung ja auch immer voran, und da haben wir hier eher weniger von; es wird viel gedacht, sinniert, beschrieben, der Autor nimmt sich Zeit, die Gegend und die Atmosphäre zu beschreiben. Mainstream ist das nicht, und das hat mir sehr gut gefallen. War mal etwas anderes, und hat mich wirklich gepackt. Geschichtsunterricht live sozusagen.

Wobei – Ha! – eins ist mir mehrfach aufgefallen: der Autor erwähnt des öfteren Bad Homburg, und der Ort hat sein „Bad“ erst 1912 bekommen. Vorher war das einfach Homburg. Ich alte Klugscheißerin aus Oberursel direkt daneben muss das jetzt erwähnen 🙂 .

Fazit: Ein Roman nicht für jedermann, aber wer sich für Geschichte interessiert, speziell für den 30jährigen Krieg und die Nachkriegszeit, ist hier genau richtig. Ich gebe 4,5 von 5 Sternen und bedanke mich beim Verlag für das Rezensionsexemplar!

Über den Autor und weitere Mitwirkende

André Hülsbömer wurde am 15. März 1966 in Münster geboren. Nach dem Studium von VWL und Geschichte in Trier und Dublin arbeitete er als Konjunkturanalyst bei den F.A.Z.-Länderdiensten. Mit Abschluss eines berufsbegleitenden Promotionsstudiums an der Universität Frankfurt zum Dr. phil. wurde er 1998 Chefredakteur und später Geschäftsführer des F.A.Z.-Instituts. 2001 machte er sich selbstständig und legte den Grundstein des heutigen Fachverlags F.A.Z. Business Media. Ende 2017 verkaufte er seine Beteiligung an die F.A.Z. Mit seiner Frau Melanie erwarb und renovierte er den Auenlandhof, der heute Biergarten, Hofcafé, Seminarhof samt Eventgastronomie, einen kleinen Weinberg, ein Jagdrevier und eine Destille umfasst.

Quelle: Amazon.de

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