von Emma Stonex

erschienen 2021 bei S. Fischer; und 2022 als Sonderedition bei der Büchergilde Gutenberg

Link zum Buch

Die Leuchtturmwärter lag in meiner aktuellen Bücher-Abobox der Büchergilde Gutenberg – Thema der Box war das Meer. Wie alle Bücher der Büchergilde ist auch dieses hier wunderschön gearbeitet und die Optik und Haptik sind hochwertig; das ist ja ein Grund, warum ich hier als Mitglied dabei bin 😉. Ja, das ist also mein neuestes Überraschungsbuch, und der Klappentext klang so gut, dass ich es auch gleich gelesen habe:

„Spurlos verschwinden vor der Küste Cornwalls drei Leuchtturmwärter von ihrem Turm. Die Uhren sind stehengeblieben. Die Tür ist von innen verschlossen. Zurück bleiben drei Frauen, die dieser rätselhafte Fall ihr ganzes Leben lang nicht loslassen wird“.

Die Kritiker überschlagen sich des Lobes (was ja nicht unbedingt was heissen muss, je mehr ein Buch gehyped wird, desto weniger gefällt es mir leider im allgemeinen), und dieses Debut wird gerade ziemlich in der Fachpresse gefeiert.

Hierum geht’s: 1972 soll auf dem sich weit draussen im Meer befindlichen Leuchtturm am Maiden Rock eine Ablösung stattfinden. Die Leuchttürme sind immer mit 3 Mann besetzt, jeder bleibt 8 Wochen, 4 Wärter bilden ein Team, und es wird jobmässig rotiert. Als nun die nächste Ablöse für den Maiden-Turm ansteht, erlebt man eine Überraschung: der Turm ist leer. Keiner der 3 Wärter ist da. Die Tür ist von innen verschlossen und muss aufgebrochen werden; Leichen werden aber keine gefunden. Bei der stürmischen See können die Wärter aber auch nicht anderweitig den Turm verlassen haben, und die Sache bleibt ein Rätsel. Für die Betreiberfirma Trident und die Behörden ist der Fall irgendwann abgehakt, die Witwen bekommen Hinterbliebenenrenten, und ansonsten möchte man über diesen Fall möglichst kein Wort mehr verlieren.

20 Jahre später versucht ein Schriftsteller das Mysterium noch einmal aufzurollen und kontaktiert die drei Frauen der verschwundenen Leuchtturmwärter. Und diese haben nach so langer Zeit den Mut, ihre Vergangenheit noch mal neu zu betrachten und wollen mit so manchen Geheimnissen Schluss machen…..

Und so wird auch für den Leser der Fall noch mal aufgerollt. Das Buch spielt abwechselnd 1972, in den letzten Tagen und Wochen vor dem Ereignis, und aus der Sicht der drei Wärter, und dann wiederum 1972, wenn aus der Sicht der Frauen erzählt wird. Und so wird peu a peu nicht nur aufgedeckt, was tatsächlich passiert ist, sondern es werden auch die zwischenmenschlichen Beziehungen der „Leuchtturmwärterfamilien“ beleuchtet und es kommen so manche Leichen aus dem virtuellen Keller…..

Soviel zum Inhalt. Und ich tu mich etwas schwer mit meiner Bewertung. Ja, es ist spannend gewesen. Zum grössten Teil zumindest. Dem Leser werden ständig irgendwelche Häppchen hingeworfen, was hätte sein können, und dann will ich natürlich wissen, was war tatsächlich. Wollten die Männer ihr Leben, mit dem sie teils ziemlich unzufrieden waren, beenden und irgendwo neu starten? Das war so meine Spur. Oder gab es ein Verbrechen? Ich musste das wissen, und das hat mich bei der Stange gehalten. Ich fand es auch ganz interessant, aus dem Leben dieser Leuchtturmwärter generell zu erfahren; denn 8 Wochen „ohne Auslauf“ nonstop auf einem Turm mitten im Meer zu sein, das macht ja was mit einem, das ist ja kein Job wie jeder andere.

Also, von den Themen her hatte das Buch mich gepackt. Die Protagonisten fand ich irgendwie weniger spektakulär. Helen, die Frau des Oberwärters Arthur, war eigentlich die einzige, die ich sympathisch und authentisch fand; mit ihr konnte ich auch mitfühlen…die anderen Damen blieben mir irgendwie fremd, und auch die 3 Wärter waren jetzt niemand, mit denen ich im Pub einen trinken gehen würde. Ich finde das halt immer schade, ich persönlich habe gerne Hauptfiguren, zu denen ich eine Beziehung aufbauen kann, aber hier war sehr viel Distanz fand ich.

Und immer und immer ist das Meer der Begleiter. Das Meer in all seinen Facetten. Emotionen. Nicht-Emotionen. Das Meer hat schon fast Charakter eines eigenen Protagonisten. Allerdings auch eines eher düsteren, zornigen unberechenbaren Protagonisten. Woran man aber merkt: der Schreibstil ist recht plastisch und bildhaft, das verbuche ich unter positiv.

Ich komme mal zum Schluss: eine durchaus interessante Story, gut und flüssig geschrieben, ein paar Längen gab es leider (Jenny, weinerliche ich-bezogene Gattin von Leuchtturmwärter Bill hat für meinen Geschmack ein wenig zu viel Raum zum Jammern bekommen), und die Auflösung am Ende fand ich zu aprubt. Jetzt will ich nach über 400 Seiten wissen, was da los war, und hier hätte es ruhig etwas ausführlicher sein dürfen. So ganz befriedigend war das jetzt nicht.

Ich verteile 4 von 5 Sternen – war gut, keine Frage, aber kein Megahighlight.

Nachtrag: dieses Verschwinden dreier Leuchtturmwärter beruht auf einer wahren Begebenheit – im Dezember 1900 sollen vor den Äusseren Hebriden tatsächlich 3 Männer auf mysteriöse Weise verschwunden sein. Das Buch wurde hiervon inspiriert, ist aber rein fiktional.

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