von Helene Sommerfeld

erschienen bei dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG; 3. Edition (16. November 2022)

Link zum Buch

Helene Sommerfeld ist das Pseudonym eines schreibenden Berliner Ehepaars, und ich habe nun schon einige ihrer historischen Romane gelesen und geliebt. Und was ich bei einem Buch, an dem mehrere Autoren schreiben, immer bemerkenswert finde, ist es, dass mir das als Leser gar nicht auffällt. Da ist kein Stilbruch, kein Nix, liest sich wunderbar flüssig und mitreißend.

Aber jetzt zurück zu diesem Buch. Hierzu gibt es eine Vorgeschichte namens „Die Ärztin“, einen ebenso episch angelegten Dreiteiler, der sich mit dem Leben von Ricarda Thomasius, Jahrgang 1863, befasst. Ricards wurde als Tochter eines Gärtners und einer Köchin auf einem brandenburgischen Gut geboren, dem Sitz derer von Freystetten, und als eine der ersten deutschen weiblichen Dr. meds hat sie ein sehr interessantes Leben geführt. Oder bzw. sie führt es noch. Und nun geht es explizit um ihre beiden Töchter: Henny, die mittlerweile Ende 30 ist und im feinen Berlin Mitte eine Arztpraxis führt. Sie ist – na klar – ebenfalls Ärztin geworden. Die 10 Jahre jüngere Antonia hat ihr erstes Staatsexamen auch schon abgelegt, und für ihr praktisches Jahr zieht es sie ins ferne Afrika. Dort ist sie damals geboren, als die ganze Familie Thomasius in der deutschen Kolonie weilte, dort zieht sie es nun wieder hin. Einerseits sucht Toni dort ihre Wurzeln, andererseits ist das Ganze gerade recht praktisch, denn in Berlin lässt sie eine verschmähte Liebe zurück…

Ja, wir sind also mit diesem Buch paralell in Afrika in Daressalam, wo Toni in einem Krankenhaus arbeitet und als weiße Frau einen schweren Stand hat und sich behaupten muss, und in Deutschland im Berlin der Weimarer Republik. Spannende Zeiten, und zwar auf beiden Seiten des Ozeans. Toni kommt voller Träume und Ideale in Ostafrika an, und sieht sich dann mit der nicht ganz so idealen-romantischen Realität vor Ort konfrontiert: der Rassismus lebt, die hygienischen Verhältnisse sind teils grenzwertig und ihr Vorgesetzter stellt ihr nach. Das sind schon ein paar Herausforderungen, und natürlich kommt ihr auch die Liebe ins Spiel….

Henny wiederum ist zwar in Berlin, dem damaligem Nabel der Welt, aber auch sie hat einiges zu stemmen, vor allem, als ihr geschiedener Ex-Mann aus Hollywood wieder hereinschneit, und ihr Leben durcheinanderwirbelt.

Ganz zu schweigen von der hochherrschaftlichen Verwandtschaft auf dem Brandenburger Schloss 😊. Ich zitiere mal den Pressetext: „Wichtiger Schauplatz ist das Schloss in Brandenburg, wo Ricarda geboren wurde. Noch immer sind die Bande eng. Aber die Grafenfamilie war stets recht exzentrisch. Deren hübsche Tochter Frieda hat nichts mit der Tradition im Sinn. Tobt doch das wahre Leben in Berlin!“. Ja, Frieda ist eine Nummer für sich, mit ihr klappern wir wilde Partys in der Hauptstadt ab. Für Frieda waren die 20er die „roaring twenties“ – für sie hätte man sie erfinden müssen. Auch für Frieda ist nicht alles Gold, was glänzt, aber wofür hat man Kusinen wie Henny und Tanten wie Ricarda, die einem am Ende aus der Patsche helfen…..

Also, man ahnt es, das Leben ist prall und bunt. Und die Protagonisten allesamt wunderbar authentisch, bildhaft und glaubwürdig gezeichnet, die Autoren nehmen einen sofort mit ins Geschehen, und man wird als Leser eigentlich von der ersten Seite an mitgenommen. Ein Schwung starker Frauen, die sich durchzusetzen wissen, mit allen ihren Fehlern und Kanten und Selbstzweifeln, die aber am Ende zusammenhalten und ihre Herausforderungen meistern. Fand ich wieder mal richtig gut gemacht. Richtig gut erzählt, und es hat mir viel Spaß gemacht, dabei zu sein.

Ich fand auch die Atmosphäre stimmig. Für mich war das Berlin der späten 20er Jahre präsent. Ebenso das Leben als Deutsche in Ostafrika. Ich konnte Toni so gut nachvollziehen: sie liebt Afrika einerseits, aber es ist auch der Ort, an dem sie sich selbst neu kennenlernt …. und das kann schmerzhaft sein.

Sehr gut historisch recherchiert, super geschrieben: ich fasse zusammen, ich war bestens unterhalten. Der Nachfolgeband ist vorbestellt 😉, im November geht es weiter.

Lieben Dank an Netgalley und den Verlag für das Rezensionsexemplar!

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