von Bonnie Garmus
erschienen bei Piper; 21. Edition (31. März 2022)

Klappentext: Elizabeth Zott ist eine Frau mit dem unverkennbaren Auftreten eines Menschen, der nicht durchschnittlich ist und es nie sein wird. Doch es ist 1961, und die Frauen tragen Hemdblusenkleider und treten Gartenvereinen bei. Niemand traut ihnen zu, Chemikerin zu werden. Außer Calvin Evans, dem einsamen, brillanten Nobelpreiskandidaten, der sich ausgerechnet in Elizabeths Verstand verliebt. Aber auch 1961 geht das Leben eigene Wege. Und so findet sich eine alleinerziehende Elizabeth Zott bald in der TV-Show »Essen um sechs« wieder. Doch für sie ist Kochen Chemie. Und Chemie bedeutet Veränderung der Zustände …
Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, dem Übersetzerduo von Delia Owens‘ „Der Gesang der Flusskrebse“
Hochgelobt, omnipräsent auf social media, Bestseller – das Buch ist mir jetzt erneut ans Herz gelegt worden, und eine Freundin hat es mir ausgeliehen und gemeint, ich müsse es lesen. Okay. Das Titelbild fand ich immer dermassen bieder und den Titel nichtssagend, sodass ich bisher einen Bogen um dieses Buch gemacht habe, aber anscheinend musste es jetzt sein.
Und es war echt gut :-). Wider Erwarten war ich bestens unterhalten. Selten so einen witzigen und doch gleichzeitig tiefsinnigen Erzählstil gehabt. Wobei das eventuell auch nur für die deutsche Ausgabe zutrifft, da wäre es vielleicht mal interessant, in die Originalausgabe zumindest mal reinzuschauen, aber die deutsche ist echt cool und humorig. Das Übersetzerduo sollte ich mir merken. Also, die Art und Weise des Erzählens hat mich von der ersten Seite an gecatched.
Zum Inhalt: wir sind in Amerika Ende der 1950er. Unsere Hauptdarstellerin ist die Chemikerin Elizabeth Zott, und Elizabeth ist speziell. Sie ist eine Frau, die die Gleichberechtigung lebt, noch bevor diese ein Thema war, und die immer und immer wieder an die Grenzen derselben stösst. Sie ist schlau, sie ist eine Rebellin, sie ist ihrer Zeit weit voraus – aber sie reibt sich auch an ihrer Zeit und ihren Zeitgenossen auf, und sie ist keine glückliche Frau. Für eine kurze Zeit in ihrem Leben ist sie es dann doch: als sie sich in den Chemiker und Nobelpreiskandidaten Calvin Evans an ihrem Institut verliebt, und mit ihm zusammen in wilder Ehe lebt. Eigentlich ein absolutes No-go in dieser Zeit, aber Regeln gelten nur für andere….. doch dann stirbt Calvin, und Elizabeth findet sich als alleinstehende und alleinerziehende Mama wieder. Gesellschaftliche Katastrophe, doch hat sich Elizabeth je um andere Meinungen gekümmert? Also geht sie arbeiten, und wird wider Erwarten zur Ikone einer Kochshow, bei der sie ihren Zuschauerinnen die Geheimnisse der Chemie genauso wie mehr Selbstvertrauen mitgibt…..
Ja, man kann es schon sich denken, Themen in diesem Roman sind Feminismus, Geschlechterrollen, sexuelle Diskriminierung, Selbstbestimmung, aber auch Familie, Liebe und Freundschaft. Eingewoben in eine herzzerreissende Biographie von Elizabeth und Calvin. Die beiden haben so ihr Päckchen zu tragen, und nicht nur Elizabeth ist ein spezieller Charakter. Auch Calvin ist als hochintelligenter Wissenschaftler recht eigen, und dadurch sind schon einige spritzige und skurrile Begegnungen und Dialoge gesetzt…..
Das Buch ist wohl bereits von Apple TV als Serie ausgestrahlt worden, und ich denke, das ist mit Sicherheit eine amüsante Show, die wahrscheinlich von den o.g. skurrilen Szenen und spritzig-bizarren Dialogen lebt.
Mein Fazit: hier werden mit einer vordergründigen Leichtigkeit ein paar ziemlich schwere Themen abgearbeitet, und ich fand das auch durchaus sehr gelungen gemacht. Ich hatte allerdings so meine Zugangsprobleme zu den beiden Hauptpersonen, und auch zu Mad, der kleinen Tochter der beiden. Ich fand die Cast etwas arg überzeichnet. Wenn ich mir die Charaktere so auch im echten Leben vorstelle, dann denke ich, haben die schon, ich sag es mal salopp, einen mittelschweren Klopfer weg im Sinne von autistischen Persönlichkeitsmerkmalen und Neurodivergenz. Für die Story hier unabdingbar, und ich denke, auch nur so kann die Story funktionieren, aber als beste Freundin glaub ich hätte ich Elizabeth nicht wirklich gerne. Zu abstrakt im Denken, zu un-emotional, zu realitätsfern. Aber gut – sie hat auch nur eine Freundin. Und selbst die hat ihre Probleme mit ihr.
Also, ja, ich war gefesselt und gut unterhalten, und das Buch gibt so einiges an Gesprächsstoff her. An wichtigen Themen, die auch im Jahre 2024 noch nicht ausdiskutiert sind. Aber die Protagonisten waren trotz allem nicht soooo glaubhaft für mich. Und zum Ende hin hat sich die Autorin mit der Auflösung aller losen Enden aus der Biografie ihrer Protas auch etwas überschlagen, da hab ich mir mehrfach gedacht, hey, es ist ein bissel viel der Zufälle, die sich gerade auflösen. Aber ok, dichterische Freiheit…..
Ich verteile 4 von 5 Sternen, und kann jetzt mitreden 🙂