von Anja Hauer-Frey

erschienen im Scorpio Verlag (3. Mai 2024)

Link zum Buch

Bild ins Klappeninnere – das Human Design Mandala und der Bodygraph

Und das hier ist mein eigener Bodygraph 🙂

Achtung, diese Rezension wird lang!

Schon mal was von Human Design gehört? Mir begegnet der Begriff im Internet immer öfter, und deshalb dachte ich, ich muss mich damit jetzt mal beschäftigen. Der Scorpioverlag hat gerade ein über 800 Seiten schweres Werk darüber herausgebracht, und ich habe beherzt zugegriffen.  Human Designs soll einen ganzheitlichen, holistischen Ansatz zum Verständnis des menschlichen Körpers haben, und das hat mich per se angesprochen. Aber wie gesagt, ansonsten bin ich hier völlig „jungfräulich“ und ohne Vorwissen an dieses Thema gegangen.

Das Buch beginnt freundlicherweise mit einer Begriffsklärung, die ich jetzt hier mal zusammenfasse. Das Human Design ist die Vereinigung diverser Weisheitslehren, und zwar Astrologie, Kabbala, I Ging und Chakrenlehre. Mit Hilfe des individuellen Human Designs geht es darum, Persönlichkeitstypen zu definieren, Persönlichkeitsentwicklung in allen Lebensbereichen zu unterstützen, körperliche Symptome und Krankheiten besser zu verstehen auf einer holistischen Ebene und ganz allgemein uns zu befähigen, unsere „individuellen Fähigkeiten, Potentiale, Körpermechanismen und vieles mehr zu verstehen zu entwickeln, und vor allem bestmöglich zu leben“ (S.18).

Find ich immer gut, und als langjährige Yogalehrerin und Yoga-Philosophie-Studierende habe ich durchaus einen Draht dazu, jegliches Leben als Manifestation von Energie zu betrachten. Ich schick das jetzt mal voraus, weil man ein wenig Interesse für eine Denkweise außerhalb der schulmedizinischen Box haben muss, sonst wird man mit dem Buch hier nicht glücklich.

Jeder Mensch ist einzigartig, und beim Human Design spielt Astrologie eine große Rolle, also muss man als allererstes sich einen persönlichen Bodygraphen erstellen anhand der genauen Geburtsdaten. Das geht leider nur online, und praktischerweise gibt’s auf S. 21 ein paar Webseiten, die sowas teils kostenfrei machen. Die App, die ich als erstes getestet haben, machts leider nicht mehr kostenfrei, aber beim 2. Versuch hat es geklappt, und ich habe mir meinen Bodygraphen ausdrucken können (also ihr merkt es, mal so eben am Strand hier drin schmökern ohne WLAN und Drucker in der Nähe ist nicht drin, zumindest nicht am Anfang), der mir jetzt ne Menge Daten ausgespuckt hat, ne Menge Energielinien und sogen. Tore, die ich dann in das Human Design Mandala übertragen kann, wofür es eine Vorlage in der Innenklappe gibt. Okay, gesagt , getan, und mit diesen beiden Graphiken kann ich jetzt individuell das Buch durchforsten auf dem Weg der Selbsterkenntnis. Besser und genauer wäre es natürlich, sich dieses Mandala gleich mit zu kaufen, wenn man eh schon auf den entsprechenden Webseiten unterwegs ist…..und ganz nebenbei, ich weiß meine Geburts-Uhrzeit eh nicht 100% genau, also wird mein Bodygraph auch nicht 100 % genau sein – das sollte man sich auch im Vorfeld klar machen. Die Autorin meint, diese Info würden die Krankenhäuser, auf denen man geboren ist, aber wissen (was ich für ältere Jahrgänge stark bezweifle by the way).

Okay, jetzt haben wir eine ganze Menge Vorarbeit geleistet, und endlich kann es losgehen. Der Kompass ist aufgeteilt in 12 Tierkreissegmente, die den diversen Körperteilen zugeordnet sind (mit denen man evtl. ein Problem haben könnte), in 12 Häuser, die für große Lebensthemen stehen (wie z.Bsp. Besitztum, Kommunikation, Beruf, Ziele etc.), und für 64 Tore, die die psychosomatische Ursachenfindung bei speziellen Problemen als Thema haben und deren spirituelle Bedeutung für den Körper untersuchen. Ich habe mir natürlich ein paar „Tore“ / Seiten genauer angeschaut, die bei mir anscheinend aktiviert sind, und da diese Tore sehr ausführlich abgehandelt werden und viel Raum im Buch einnehmen, sind das hier dann auch durchaus interessante Ausführungen. Das kann man sich in etwa wie folgt vorstellen, einfach mal als Beispiel, Tor 53: „Anfang“. Subtitel des Kapitels: „Kannst du deinen eigenen Radius erweitern, indem du authentisch das Neue lebst?“ (S. 591- 597).  Durchaus spannend.

Am Ende des Buches geht es dann auch noch um diverse Sportlertypen und Ernährungstypen, und um die Aminosäuren, die Bausteine des menschlichen Körpers.

Sooooo. Was sag ich jetzt dazu. Das Schmankerl habe ich mir bis hierher aufgehoben: Das Human Design wurde im Jahr 1987 von Alan Krakower entwickelt, der dies alles in 8 Tagen und 8 Nächten von einer Stimme übermittelt bekommen hat. (S.25). Und ab da hat mich das Ganze echt verloren. Ab Seite 25 ist mein innerer Kritiker Samba getanzt. Ich musste das googeln, Herr Krakower war geblendet vom Licht der Supernova SN 1987A und hatte danach supernatürliche Eingebungen. Ist klar, ne? Hierzu kann sich jetzt jeder so seine eigene Meinung bilden.

Also, nochmals, ich bin durchaus der Ansicht, dass alte Weisheitslehren wie die obigen 4 genannten ihre Daseinsberechtigung haben und man viel daraus mitnehmen kann, aber der Mix hier ist wild. Mir persönlich war das too much Astrologie in pseudowissenschaftlicher Verbindung mit anderen Philosophien. Ich bin durchaus ein Fan der hinduistischen Chakrenlehre und habe für mich viele Dinge dadurch klären können, aber  – Blick auf den Bodygraphen bitte – diese offensichtliche visuelle Verbindung des typischen indischen Bildes des sitzenden Yogis mit den 7 Hauptchakren (hier kommt noch ein kleineres Achtes dazu) mit astrologischen Häusern und Energieströmen war mir zu viel des Guten. Und witzigerweise, wieso muss es dieses eine Bild des sitzenden Yogis mit gerade diesen Chakren sein? Das Bild ist berühmt, da gäbe es aber noch sehr viel mehr und andere………

Ich wiederhole mich wahrscheinlich, ich gehe hier mit dem Grundgedanken des ganzheitlichen Betrachtens des Menschens und des holistischen Heilens voll und ganz konform, aber mit diesem Human Design Kompass kann ich im Endeffekt nicht viel anfangen. Wunderbar, wenn es Menschen hilft (wer heilt, hat recht, dem stimme ich zu), aber für mich hat das Befragen des Kompasses irgendwie was von Tarot lesen. Und hey, nicht falsch verstehen, wenn derjenige, der die Karten liest und interpretiert, empathisch ist und Menschenkenntnis besitzt, kommt auch da bestimmt was Gutes bei raus, ich will hier gar nicht alles lächerlich machen, aber sorry, für mich war das jetzt eine nette Erfahrung mit meinem „persönlichen Bodygraphen“, mehr aber auch nicht.

Ich werde mir trotzdem einige Kapitel / „Tore“ noch näher anschauen und durchlesen, denn es stehen hier durchaus psychologisch interessante Zusammenhänge zwischen Körper, Geist und Seele drin. Gar keine Frage.

Vielleicht noch ein paar Worte zum letzten Kapitel, den Aminosäuren. Auch hier finde ich den angebotenen Wissensmix irgendwie….wild. Einerseits gibt es ein paar Fakten, wofür die jeweilige Aminosäure gut ist und worin sie enthalten ist, aber dann kommen so Sachen wie „Phenylalanin etabliert unsere telepathischen Fähigkeiten“ (S. 749), und dann bin ich wieder draußen. Und dass eine essentielle Aminosäure auch essenziell für die energetische Balance im Körper ist, muss ich nicht auf jeder Seite wieder lesen…. Ich meine, hey, man spricht nicht umsonst von essenziell.

Was ich hier echt vermisst habe, und irgendwie doch erwartet habe, war mehr an Infos zur Epigenetik. Das Stichwort ist im Vorwort gefallen, und entweder ich habe es großzügig überlesen (dann nehme ich alles zurück), oder das war nur anteasern. Epigenetik finde ich nämlich wirklich spannend und fällt m.E. auch ins große Thema des ganzheitlichen Betrachtens des Menschen.

Jetzt komme ich mal zu einem Ende: Das Buch ist super ausführlich, verständlich geschrieben, von der Aufmachung toll gemacht. Aber lässt mich leicht unzufrieden zurück. Ich mag es daher auch nicht unbedingt weiterempfehlen, es sei denn, jemand sucht genau zum Thema Human Design ein gut lesbares Buch.  Ansonsten hat man denke ich mehr davon, sich mal ausführlich mit den einzelnen Philosophien wie der Chakrenlehre, dem  I Ging, dem Kabbala und meinetwegen auch der Astrologie zu befassen. Oder sich gleich einen guten ganzheitlich orientierten Heilpraktiker / (Psycho-) Therapeuten etc. pp bei bestimmten Fragestellungen zu suchen.

Ich bedanke mich beim Scorpioverlag für das Rezensionsexemplar!

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