von Michael Ritter
erschienen im Gmeinerverlag 2024
Klappentext:“Der Präsident der Wiener Künstlervereinigung Secession bittet seinen Bekannten Dr. Fried um Hilfe. Der Künstler Michael Sterner wurde erstochen aufgefunden – ausgerechnet nach einem heftigen Streit mit Präsident Schmutzer. Eines der Ausstellungsstücke Sterners fehlt, eine bronzene Gämse. Der Kriminaloberinspektor Dr. Fried stellt auf eigene Faust Nachforschungen an, und sehr bald geht sein Verdacht in eine ganz andere Richtung als die offiziellen Untersuchungen. Es entwickelt sich eine Konkurrenz zwischen dem jungen Kommissar Hechter und Dr. Fried, welche die kollegiale Freundschaft der beiden auf eine harte Probe stellt.“
Ein Krimi im historischen Wien, dazu noch in der Künstlerszene – da kann ich ja nicht widerstehen 🙂
Hier ist die Ausgangssituation: Wir sind in Wien im Dezember 1916, der erste Weltkrieg ist seit 2 Jahren etwa im Gange, die Stadt (das ganze Land natürlich!) ist langsam kriegsgebeutelt, und Kriminaloberinspektor Dr. Fried ist im wohlverdientem Urlaub. Urlaub zuhause, aber nichtsdestotrotz – wohlverdient. Mit seinem Stellvertreter und Freund, dem Novak, will er gemeinsam 2 freie Wochen verbringen. Das Kommissariat wird in dieser Zeit vom tüchtigem jungen Hechter betreut….alles in Ordnung soweit. Somit wird auch Hechter zum Mord an dem Künstler der Wiener Secession, Michael Sterner, gerufen. Und so schwierig scheint dieser Fall auch nicht zu sein, es gibt recht schnell einen Hauptverdächtigen mit Motiv und allem, was dazu gehört.
Allerdings bittet der Präsident der Künstlervereinigung, Herr Schmutzer, seinen alten Bekannten Dr. Fried ebenfalls um Hilfe, denn besagter Hauptverdächtiger in diesem Mordfall ist er selbst, und er möchte selbstredend, dass sich Dr. Fried mit dem Fall befasst und ihn entlastet. Fried ist nicht wirklich begeistert, kann aber auch schlecht ablehnen, und so entscheiden der Novak und er, in ihrem Urlaub Detektiv zu spielen und inoffiziell ihre eigenen Ermittlungen anzustellen, während die Kollegen im Kommissariat zeitgleich in ihrer Arbeit zu ganz anderen Ergebnissen kommen sollen…. interessanter Interessenskonflikt, interessante zweigleisige Ermittlungen zu ein und derselben Tat….
Im Nebenerzählstrang haben wir hier auch die Familiengeschichte der Frieds laufen – die natürlich mit den Ermittlungen verflochten ist – und die echt spannend ist. Unverhofft kehrt Schwiegersohn Max nämlich von der Front auf Erholungsurlaub zurück, denn Max ist verwundet und traumatisiert … und kann nach langer Abwesenheit mit Gattin Amalia nicht mehr so wirklich viel anfangen. Umgekehrt dasselbe. Dr. Fried, Novak und damit wir Leser beobachten dies, und ich fand, das waren psychologisch sehr interessante Einblicke in das „wahre Leben“, ich denke, dass es in jedem Krieg in so vielen Familien ähnlich ist.
Mein Leseeindruck: Das war gut. Ein interessanter Fall, eine nicht alltägliche Ausgangssituation, interessante Protagonisten. Geschrieben aus der auktorialen Perspektive und meistens ganz nah an Dr. Fried dran. Die Erzählstimme war ein wenig distanziert, fand ich, aber das hat irgendwie komplett gepasst. Der Roman lies sich sehr flüssig lesen. Ich bin anfangs ein paar mal darüber gestolpert, dass der Herr Kollege Novak permanent mit „der Novak“ tituliert wurde; die einzige, die ihn mit Vornamen und „Onkel“ angesprochen hat, war Amalia, ansonsten war er tatsächlich durchgehend „der Novak“, und zwar als einziger Protagonist in dieser Form, aber A. man gewöhnt sich dran, und B., ich denke, da hab ich die Erklärung zu in den Vorgängerbänden verpasst. A propos, dies ist Band 3 einer Serie. Ich bin trotzdem gut hier ins Geschehen reingekommen, alles Relevante wird nebenbei erwähnt, aber ich hatte trotzdem ab und zu das Gefühl, was verpasst zu haben. Es gab in der Vergangenheit irgendwelche Dramen um Max und Amalia, die hätte ich gerne näher gekannt. Also, eigentlich wie immer bei Serien: es empfiehlt sich, mit dem ersten Band einzusteigen, aber man kommt prinzipiell auch als Quereinsteiger gut klar.
Was mir persönlich gut gefallen hat, war, wie der Autor immer wieder seine eigene (okay, das unterstelle ich jetzt mal!) Anti-Kriegs-Ansichten hat einfließen lassen, im Sinne von allgemeinen Wahrheiten, über die beispielsweise Dr. Fried philosophiert. Dass es im Krieg eigentlich immer nur Verlierer gibt.
Es gibt eine Stelle im Roman, in der die Familie Fried eine Art Vergnügungspark besucht, in dem Schützengräben nachgebildet sind, sodass die Wiener Bürger sonntags da durch flanieren können, und die Befremdlichkeit des Oberinspektors ob dieser Dinge konnte ich nur nachvollziehen….ja also: ich wiederhole mich, hat mich abgeholt, und mich zum Nachdenken angeregt.
Mein Fazit: ich fand die Geschichte insgesamt sehr realistisch. Gut gezeichnete Figuren, flott lesbar – alle Daumen, bzw. Sterne hoch!
Herzlichen Dank an den Gmeinerverlag für das Rezensionsexemplar!