von Gunda Windmüller
erschienen 2025 bei Rowohlt POLARIS

Klappentext: „Die erste populäre Kulturgeschichte, die klug und unterhaltsam erzählt, wie Yoga die Welt eroberte.
Yoga kann man heute überall praktizieren – in Mumbai, Los Angeles und auf jeder Almhütte. Es gibt Yin-Yoga, Power-Yoga, Aerial-Yoga, neuerdings auch Bier- und Wein-Yoga. Schon lange ist Yoga mehr als nur eine Praxis für ein paar Eingeweihte. Es ist Lebensphilosophie, Heilsweg, für manche Sport – und ein sehr lukrativer Wirtschaftszweig. Wie ist es so weit gekommen? Und hat das, was wir heute als «Yoga» bezeichnen – eine Abfolge an Posen und Bewegungsmustern, Atem- und Entspannungstechniken –, überhaupt noch etwas mit dem gemein, was vor vermeintlich Tausenden von Jahren auf dem indischen Subkontinent als Yoga bezeichnet wurde? Kulturwissenschaftlerin und Yoga-Lehrerin Gunda Windmüller spürt der tausend Jahre alten Geschichte des Yoga nach und schildert seine Entwicklung von einer spirituellen Technik zum globalen Phänomen. Es ist eine faszinierende und überraschende Geschichte, die von fernen Ländern erzählt, von Religion, Politik und Geld, von Menschen, Charisma, Leid und der Erlösung davon. Eine Geschichte von Spiritualität, Kolonialismus, Moderne und Kapitalismus – eine Geschichte von uns.“
Spannendes Thema: die (Kultur-) Geschichte des Yoga. Und ich schicke mal voraus, ich bin langjährige Yogalehrerin und beschäftige mich mit diesem Thema schon seit längerem, und habe immer wieder mit Bedauern festgestellt, dass es tief ergehende Forschung zu diesem Thema in Deutschland kaum gibt. Während in z. Bsp. London die SOAS der dortigen University sehr viel dazu beiträgt, und in den USA super viel zu diesem Themenbereich publiziert und gelehrt wird, dümpelt es hierzulande sehr vor sich hin, Meines Wissens nach gibt es einzig in Hamburg Yoga-Studiengänge und Vorlesungen, und einzelne Dozentinnen wie Laura von Ostrowski machen sich auch hier in DE langsam einen Namen. Ich war also super interessiert an Gunda Windmöllers neuem Buch 🙂
Okay, und noch was vorausgeschickt: Das Buch ist wirklich gut!
Auf knapp 300 Seiten hangelt sich die Autorin von den von den schwer definierbaren Wurzeln des Yogas, den Asketen, den philosophischen Gedanken und Schulen und Ideen im Osten zur Verbreitung des Yoga im Westen bis hin zu dem, was heutzutage die Massen- und Wellnessindustrie daraus macht. Ein Galoppritt, eine Tour de Force, durch Indologie, die Veden, die Upanishaden, Patanjalis Sutren, aber auch durch Theosophie, Fakire und Esoterik, moderne Gurus und alte Yogameister, und natürlich schlussendlich Fitness durch Asanas. Und natürlich hey, nicht vergessen: den Peace of mind, den wir alle immer schon wollten. Ach ja, und #metoo – Übergriffigkeiten in der modernen und nicht mehr ganz so modernen Yogaszene – bringt die Autorin auch noch unter.
Wenn man einmal anfängt, sich mit den Ursprüngen von Yoga zu beschäftigen, wird schnell klar, das Thema ist extrem weit aufgefächert und vielfältig, und ganz viele gängige Annahmen und gepflegte Vorurteile fallen schnell zu Opfer. Und den einen wahren Yoga gibt es nicht,
Yoga ist in Entwicklung. Immer schon gewesen, und wird es wohl auch immer sein.
Ich tue mich gerade ein wenig schwer mit einer geordneten Buchbesprechung, daher mal einfach stichpunktartig, was ich gut finde:
- die Autorin räumt mit vielen Vorurteilen auf und kennt den aktuellen Stand der Forschung sehr gut. Hier schreibt mal jemand, der, bzw. die, echt Ahnung hat vom Thema. Es wird hier mit sehr viel Halbwissen und modernen Mythen aufgeräumt.
- Sie schafft es echt, in einem Buch eine Zeitspanne von etwa 3000 Jahren abzuhaken 🙂
- der Stil ist sehr flüssig und sehr unterhaltsam. Ich fand es teils sogar etwas zu locker-flockig geschrieben, aber wie gesagt, das macht es gut lesbar, auch für Leute, die sich noch nie mit dem Thema näher befasst haben. Trotzdem bleibt die Autorin immer faktenbasiert.
- Die Register im Anhang: Personenregister, Literaturverzeichnis etc. Sehr informativ!
Was ich nicht so gut fand (und das ist jetzt meckern auf hohem Niveau):
- vieles wurde wirklich nur angerissen. Klar, auf 300 Seiten kann man keine ganze Bibliothek unterbringen, also halte ich mich hier mal mit weiteren Bemerkungen zurück.
- Manchmal war es mir ein wenig zu viel von persönlichen Anmerkungen aus dem Erfahrungsschatz der Autorin. Das waren dann oft die Stellen, die sich besonders gut lesen liessen, Stichwort Populärwissenschaft, aber (ich finde die Stelle gerade nicht, sorry): Taylor Swift’s Songtexte – irgendwie muss ich die jetzt nicht in einem Yogabuch einbauen…..
- Frau Windmüller gendert. Ahhhhh. Sie nimmt zum Gendern im Vorwort explizit Stellung und gendert „nur“ in den Passagen, in denen es ums moderne Yoga in unseren modernen Zeiten geht, aber sie gendert….und mir persönlich rollen sich dabei immer die Fußnägel hoch.
Mein Fazit: Insgesamt ein sehr gut gemachtes Yogabuch; optisch gut gemacht, inhaltlich super – ich habe durchaus neue Dinge gelernt und neue Impulse mitgenommen. Vieles wurde wie gesagt nur angerissen, zumindest wurde es das mal in einem deutschen Buch. Das sucht man nämlich ansonsten vergeblich auf dem deutschen Buchmarkt.
Ich würde dieses Buch in Yogalehrerausbildungen empfehlen. Dort sitzen nämlich die Leute, die sich näher für die Kulturgeschichte des Yoga interessieren, und ich glaube, dieses Buch kann noch mal Interesse für tiefer gehende Studien wecken. Für die „normalen“ Yogis und Yoginis, die einmal die Woche unsere Stunden besuchen, wird das „too much information“ sein, aber wer ein wenig mehr wissen will, sollte definitiv hier zugreifen.
Also: bitte lesen!
Herzlichen Dank an den Rowohltverlag für das Rezensionsexemplar!