von Elsa Dix

 

Neuerscheinung 2020 aus dem Goldmannverlag

Auszug aus dem Klappentext: „Norderney 1912: Vornehme Badegäste geniessen die Sommerfrische am Meer, doch unter ihnen weilt ein Mörder….“ . Viktoria Berg, wohlhabene Bürgerstochter, geniesst den Sommer im mondänen Nordseebad Norderney. Sie ist ein unabhängiger Freigeist, kurz davor, ihre erste Stelle als Lehrerin anzutreten, und ihr Vater erhofft sich, dass in der Sommerfrische noch ein Wunder passiert und seine intelligente Tochter einen standesgemässen Ehemann ergattert.

Der Urlaub entwickelt sich allerdings komplett anders als geplant: Viktoria wird Zeugin, wie eine junge Frau aus den Wellen geborgen wird. Das Dienstmädchen Henny ist tot – für die Polizei wie auch die Hotelverwaltung ein klarer Selbstmord, für den aufstrebenden Journalisten Christian Hinrichs ebenso klarer Mord. Viktoria erkennt in der Toten ihre Kindheitsfreundin wieder, und gemeinsam mit Christian geht sie der Sache nach.

Im Laufe der Ermittlungen zeichnet sich ab, dass die meisten der adligen Gäste ihre ganz eigenen dunklen Geheimnisse mit sich herumtragen, und als noch ein zweiter Mord passiert, scheint niemand mehr sicher zu sein.

„Ein glanzvoller historischer Küstenkrimi“  sagt der Klappentext weiter, und ich stimme dem völlig zu. Dieser Roman hat wirklich die glanzvolle ausgehende Kaiserzeit zum Leben erweckt. Das Flair der Sommerfrische der Reichen und Schönen – und in diesem Fall: der Adligen! – wird wunderbar erweckt, die Autorin schreibt flüssig und vor meinem geistigen Auge bin ich mit über die Kurpromenade flaniert und habe im eleganten Hotel verweilt. Elsa Dix versteht es, ihre Figuren und das Setting lebendig darzustellen. Mit Viktoria und Christian hat sie auch zwei wunderbare Protagonisten geschaffen, und über die widerspenstige Viktoria erhalten wir auch tiefe Einblicke in das Leben einer Frau im beginnenden 20. Jahrhundert: das Frauenwahlrecht gab es noch nicht, eine Frau ist de facto ohne Freiheit, sobald sie sich verheiratet, und ein selbstbestimmtes Leben für die meisten nur ein Traum. Vor allem für die unteren Schichten der Gesellschaft. Henny ist für ihre Träume gestorben – neben dem Kriminalfall hat dieser Roman auch noch eine weitere Ebene, denn die Autorin seziert nebenbei die Gesellschaft der Belle Epoque, und wer nicht hochwohlgeboren war, der hatte im Kaiserreich kaum eine Chance zur Selbstverwirklichung oder gesellschaftlichen Aufstieg.

Natürlich darf auch eine zarte Liebesgeschichte nicht fehlen, natürlich verlieben sich die beiden Hobbyermittler ineinander, aber das hat gepasst. Und es war nur ein Nebenplot, und gemäss den damaligen Anstandsregeln geht die Verliebtheit über ein paar verstohlene Küsse nicht hinaus. Das fand ich sehr angenehm, und stimmig für den Roman.

Was ich nicht ganz so stimmig fand (ja, ein paar Mini-Kritikpunkte habe ich auch): Die Ermittlungen gingen mir teilweise zu leicht vonstatten. Ich hab mich ein paar Mal gewundert, wie bereitwillig die Leute Christian und Viktoria Auskünfte gegeben haben. Ja, es gehörte Cleverness dazu, die jeweiligen Personen überhaupt aufzuspüren, aber dann haben die Verdächtigen echt ziemlich problemlos geplaudert. Vielleicht bin ich da aber auch nur Action-Thriller-verkorkst, denn normalerweise werden Verhöre immer anders geschildert. Psychologische Kriegsführung und so. Hier hatte ich den Eindruck, dass die Verdächtigen teilweise drauf gewartet haben, ihre Geschichte erzählen zu dürfen.

Nichtsdestotrotz, mir hat es sehr gut gefallen, und ich warte schon auf Nachschub, denn bei den nächsten Fällen der beiden bin ich gerne wieder mit dabei! Leseempfehlung!

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