von William Boyd

deutsche Erstausgabe 2009; neu veröffentlicht 2021 im Kampaverlag

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Der schweizer Kampaverlag hat eine neue Edition: als „Kampa Pocket“ werden Romane von William Boyd neu herausgegeben, als klimaneutrale Taschenbuchreihe. Dadurch habe ich persönlich Boyd auch wiederentdeckt; und soeben die „einfachen Gewitter“ beendet.

Hierum geht’s: Wir sind in London; in den „00er“ Jahren. Adam Kindred, ein angesehener Klimatologe, ist für ein Jobinterview eingeflogen; sein Leben ist nicht problemlos, aber normal, und soweit läuft alles in geregelten Bahnen. Bis eine Zufallsbekanntschaft von einem Moment auf den anderen alles beendet. In einem Pub trifft Adam auf den Forscher Dr Wang, er bringt ihm vergessene Unterlagen nach Hause – und findet dort Wang mit einem Messer im Brustkorb vor. Der Mörder macht sich gerade aus dem Staub. Was tun? Adam entscheidet sich für die Flucht. Und hiermit verändert sich sein Leben komplett und radikal. Zurück ins Hotel geht nicht, da wartet schon die Polizei, und Adam taucht unter. Während Adam sich an sein neues Leben auf der Flucht und im Untergrund gewöhnt, stellt er schnell fest, dass er auch von anderer Seite gejagt wird, denn die Unterlagen, die Adam Dr Wang bringen wollte, bergen brisante Forschungsgeheimnisse um ein neues Medikament, an denen eine ominöse Gegenseite mehr als interessiert ist.

Spannende Ausgangslage; und super interessant umgesetzt. Was macht man so, wenn man plötzlich ohne alles dasteht, und weder seine Kreditkarten noch das Handy nutzen kann? Camping in der Grossstadt ist auf Dauer ziemlich anstrengend und uncool, und man muss schon sehr gewitzt sein, um zu überleben, und um dann auch noch Chancen zu nutzen und sein Leben zurück zu erobern. Ich fand es sehr faszinierend, Adam hier zu begleiten auf seinen Wegen in den unschönen Ecken Londons.

Nebenbei ganz interessant fand ich auch den Einblick in die Machenschaften der Pharmaindustrie – die Geldgier, die dort herrscht, halte ich doch für realistisch.

Einzig das Ende war für mich ein wenig aprubt. Auf den letzten 3 Seiten dachte ich mehrmals, hoppla, schon fertig, das ist jetzt das Ende? Da fehlten mir noch ein, zwei Zwischenschritte. Es war jetzt kein offenes Ende, aber kam etwas aus heiterem Himmel.

Boyd wird gefeiert als einer der bedeutendsten Erzähler der zeitgenössischen Literatur, und ich kann dem nur zustimmen. Rasant geschrieben, aber trotzdem ohne Eile (die Story zieht sich über, ich würde grob schätzen, ein Jahr hin), hat mich der Roman echt gepackt. Wir hatten hier einen ganzen Schwung Nebendarsteller und -plots, und alle Rädchen haben virtuos ineinander gegriffen. Einfach intelligente Unterhaltung, und gut geschrieben. Etwas mehr als 500 Seiten beste Krimi-Unterhaltung. Ich empfehle den Krimi gerne weiter!

Vielen Dank an den Kampaverlag für das tolle Rezensionsexemplar!

Ach ja, und ein Nachtrag: Der Titel. Einfache Gewitter. Das hat Programm: Einfache Gewitter können sich, so sagt das Vorwort, zu Multizellengewittern von unbegrenzter Komplexität ausbauen. Sie gewinnen an Schwere und extremer Dauer. So wie Adams Leben – von einfach zu extrem komplex und länger anstrengend als gedacht ;-).

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