Untertitel: Wie weit würdest Du gehen?

von Marc Elsberg

2020 im Blanvalet Verlag erschienen

Wirtschaftsgipfel in Berlin: der Nobelpreisträger Herbert Thompson ist mit seinem Partner Will Cantor auf dem Weg, um eine der Eröffnungsreden zu halten. Ihre Limousine wird plötzlich ferngesteuert, kommt vom Weg ab und überschlägt sich. Der junge Pfleger Jan Wutte ist zufällig zur Stelle, setzt einen Notruf ab und will Erste Hilfe leisten, doch bevor er den noch lebenden Cantor aus dem Wrack ziehen kann, sind düstere Securitytypen zur Stelle, die das Auto anzünden und ihn umbringen wollen. Jan gelingt es, sich zu befreien und zur Polizei zu retten, aber damit fangen seine Probleme erst an: statt Zeuge und Ersthelfer ist er plötzlich ein Verdächtiger in einem Mordfall. Er entscheidet sich, den Fall selbst aufzuklären und seine Unschuld zu beweisen, und sucht dafür den Menschen auf, dessen Namen Cantor ihm im Sterben zuflüsterte. Er findet Fitzroy, ein mathematisches Genie, ehemaliger Börsianer und aktuell eher illegalem Glückspiel zugetan, und gemeinsam gehen sie dem Rätsel nach, dass Cantor und Thompson hinterlassen haben, immer auf der Flucht vor der Polizei und den Mördern.

Soweit, so gut – bislang klingt alles nach einem guten Actionthriller, aber das hier ist ein Thriller der etwas anderen Sorte. Und ich bin mir immer noch nicht ganz schlüssig, wie ich den einsortieren soll. Das Geheimnis, wegen dessem die beiden Wissenschaftler sterben mussten, sind Wirtschaftstheorien und -modelle, die (angeblich) das Rad komplett neu erfinden und den Untergang des Kapitalismus, so wie wir ihn kennen, bedeuten. Und nebenbei schlüssig mathematisch belegbar sind. Im Laufe des Romans erklärt der Autor dem Leser sehr viele wirtschaftliche Modelle und Theorien, und das auf relativ nachvollziehbare Weise, aber auch wenns teilweise ganz interessant war (wer immer schon mal wissen wollte, was es mit dem Subsidaritätsprinzip, dem Erwartungsnutzen, der Spieltheorie etc auf sich hat – hier seid ihr richtig!), hat es mir doch zuviel Raum eingenommen. Angehende BWLer werden es lieben, mir war es too much. Andererseits habe ich das mulmige Gefühl, irgendwie ein Ignorant zu sein, denn hier kriegt man die Wirtschaft anschaulich erklärt – aber trotzdem, ich wollte einen Thriller, und den hab ich gefühlt nur teilweise bekommen.

Überhaupt nimmt die Diskussion um Kapitalismus und wirtschaftliche Ausbeutung einen Riesenplatz hier ein. Während des Gipfels sind Demonstration zugange in Berlin und weltweit; es wird gegen drohende Sparpakete und Massenarbeitslosigkeit demonstriert. Fitz und Jan werden in die Hausbesetzerszene hinein gezogen und finden dort unerwartete Hilfe und Unterstützung.

Ja. Was ist mein Fazit? Rasant geschrieben war das Buch auf jeden Fall, aber mir war es zu belehrend. Und bei einigen mathematischen Beweisen, die detailliert erklärt wurden, hab ich schlicht auch nur drüber gelesen. Das Resumee am Ende ist fein: die Welt(wirtschaft) überlebt nur, wenn wir uns alle zusammentun und Wettbewerb nur das Mittel zum Ziel ist, und wir alle friedlich zusammen satt werden, aber wie gesagt, das war mir insgesamt zuviel BWL und zuwenig Handlung. Bzw, die Handlung war da, definitiv, aber die Theorie hätte von mir aus zusammengekürzt werden können.

Special Interest Thriller – muss man mögen.

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