von Ally Zetterberg

erschienen 2024 bei Rowohlt Polaris

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Ich fand den Klappentext recht charmant, und zusätzlich haben Presse und Verlag hier mit neurodivergenten Protagonisten geworben, was mich echt total interessiert hat. Vom pastelligen Cover her – und gar mit dem Untertitel „Liebe und andere Baustellen“  –  dachte ich zusätzlich, das könnte hier eine ganz witzige Rom Com werden. Meine Erwartungen waren hoch – und sie wurden enttäuscht.

Und ich tu mich echt schwer mit meiner Rezension. Eigentlich sagt der Klappentext schon sehr viel zur Storyline aus; die Endzwanzigerin Klara zieht für die Dauer der Erkrankung ihres Vaters zurück nach Schweden, um ihn dort bei der Leitung seiner kleinen Baufirma zu unterstützen. (Anmerkung: allein das ist eigentlich schon komisch, denn sie hat keinerlei Vorerfahrung in sowas, und ich denke, es gibt relativ wenige Familien, die bei derlei Dingen ausgerechnet die etwas lebensfremde jüngste Tochter aus dem Ausland herbeirufen.) Als eine der ersten Amtshandlungen feuert sie zwei langjährige Mitarbeiter aufgrund deren sexistischen Verhaltens (Anmerkung: das hat mir dann durchaus gefallen 😉. Ist aber auch unrealistisch)., und schaltet eine Stellenanzeige, auf die sich der junge Handwerker Alex meldet. Wie man dem Klappentext entnehmen kann, stehen hiermit die Protagonisten der Romanze fest, und da beide psychisch und mental ihr Päckchen zu tragen haben, entwickelt sich einerseits alles super langsam (ich fand es unglaublich langsam für ein Buch, die zwei sind ewig umeinander herumgetanzt), und andererseits, nun ja, etwas anders als erwartet. Okay, am Ende kriegen sie sich, das darf ich spoilern, das ist von vornherein eigentlich klar.

Ich picke mir jetzt mal ein paar Dinge raus, die ich entweder sehr gut gemacht oder eben eher weniger toll fand, um meinen Leseeindruck zu beschreiben. Positiv ist der flotte Schreibstil, der mich auch immer wieder bei der Stange gehalten hat. Vieles ist auch in Form von online-Kalendereinträgen gestaltet, und wenn beide Protagonisten sich einen Kalender teilen, dann gibt’s dort auch ganz witzige Chats. Das fand ich originell gemacht. Die Kapitel werden wahlweise aus Sicht von Alex und Klara erzählt, und sowas gefällt mir auch immer gut, wir sind bei jedem der beiden nah dabei.

Tja, ich bin leider mit den beiden aber nicht wirklich warm geworden. Und was mich echt gestört hat, dass mit neurodivergenten Protagonisten geworben wird (Anmerkung, Definition dazu gem. Wikipedia: „Zum Konzept der Neurodiversität werden unter anderem Autismus, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Dyskalkulie, Legasthenie, Dyspraxie, Synästhesie, die bipolare Störung und Hochbegabung gezählt. Diese gelten in der Neurodiversitätsbewegung als natürliche Formen der menschlichen Diversität, die derselben gesellschaftlichen Dynamik unterliegen wie andere Formen der Diversität. Sie wendet sich damit entschieden gegen eine pathologische Betrachtung von Neuro-Minderheiten.“), aber am Ende wird hier nichts genauer dazu erklärt und wir haben eigentlich nur Klara, die völlig in ihren Spleens und Macken hängt, aber es wird nicht viel dazu gesagt. Am Ende kommt sie selbst auf die Idee, sich auf Autismus testen zu lassen, aber viel gesagt wird dazu wie gesagt nicht. Da habe ich echt mehr erwartet. Da habe ich andere Romane mit autistischen Hauptpersonen gelesen, beispielsweise die „Lost in Fuseta“-Krimireihe von Gil Ribeiro, bei denen man als Leser aufgeklärt wird über diese Dinge. Und man kann trotzdem mitlachen und mitfiebern. Hier haben wir einfach eine zutiefst verunsicherte junge Frau, die ihr Leben nur mit Google, Apps und ein, zwei Vertrauten überhaupt halbwegs managen kann. Ja, Klara macht durchaus eine Entwicklung durch, aber zum größten Teil saß ich nur kopfschüttelnd da. Vielleicht bin ich einfach auch zu alt. Mit Ü50 halte ich mich durchaus in der Lage, auch ohne Mr Google zu existieren und wer sein Leben nur mit Apps hinkriegt, hm, wie soll ich es sagen – hat in meinen Augen eh verloren. Gott, ich werde gerade zynisch, sorry.

Ich gehe jetzt gar nicht so sehr auf Alex ein, der ist in tiefer Trauer um seinen Bruder und leidet an Depressionen, und ich denke, zu den Themen Trauer und Depression sind wir mittlerweile relativ aufgeklärt, da braucht man als Leser nicht mehr viel Information, aber gerade aufgrund dieser Themen ist Alex auch nicht gerade ein strahlender romantischer Held….was es bei einem Buch und einer ausgewiesenen Liebesgeschichte dem Leser nicht gerade einfacher macht…..

Die Autorin selbst beschreibt sich  – siehe hintere Klappe – auch als neurodivergent (was ja ein sehr großes Spektrum, wenn nicht das komplette Spektrum menschlichen Daseins einschließt), definiert das aber nicht näher. Das befremdet mich ja auch etwas – seht her, ich bin speziell, aber was ich habe, sag ich nicht.

Ach, noch was, bevor ich es vergesse. Was mich SUPER gestört hat: es wird dezent bis mittelschwer gegendert. Und da dies nur eine Übersetzung aus dem Englischen ist, wo definitiv nicht gegendert wird, fand ich das echt schräg. Also ja, Klara ist Feministin und will bevorzugt weibliche Mitarbeiterinnen haben, aber dass man die Stellenanzeige, die sie schaltet, mit dem Wort „Kund:innen“ verunstaltet, das war sicherlich im Original nicht so. Diese „: //* // etc.“-Genderzeichen begegnen einem glücklicherweise nicht im Fließtext, aber es wird durchaus öfters mal eine geschlechtsneutrale Form benutzt. Das bestärkt mich darin, Neuerscheinungen generell im Original und nicht auf Deutsch zu lesen.

Ach Mensch. Ich habe mich echt auf das Buch gefreut, es kommt optisch auch sehr süß daher, und meine Ausgabe hat einen blauen Farbschnitt, das hat mich echt angemacht. Aber never judge a book by ist cover, dieses hier hat mich leider nicht abgeholt. Ich gebe 2,5 von 5 Sternen.

Trotzdem lieben Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

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